Haltern am See. . Schuldnerberater der Diakonie: Halterner Bürger sind auffällig hoch verschuldet. Über 20 Prozent der Bürger leben in prekären Verhältnissen.

Haltern am See liegt im sogenannten „Speckgürtel“ des Ruhrgebiets. Hier dominieren einkommensstarke Haushalte, die von der Infrastruktur des Ruhrgebiets profitieren, ohne aber über Steuern zu dessen Finanzierung beizutragen. Viele Halterner pendeln ins Ruhrgebiet und zahlen die Lohn- und Einkommenssteuer vor Ort.

Aktuelle Zahlen der Creditreform bestätigen den „Speck“. Mit nur 7,26 Prozent verschuldeter Haushalte liegt die Stadt weit unter dem Schuldnerdurchschnitt des Kreises Recklinghausen von 11,97 Prozent (bundesweit 9,65 Prozent). Soweit die blanke Statistik. Allerdings: Dahinter verbergen sich erschreckende Zahlen.

Prekäre Lebenslagen

„Halterner Bürger sind auffällig hoch verschuldet“, sagt Christian Overmann, Schuldnerberater der Diakonie. Aktuell wurde eine Gesamtschuldsumme von 38 366 439 Euro erfasst, was einer Durchschnittsverschuldung von 71 712 Euro entspricht (kreisweit 27 260 Euro). „Ein Indiz, dass ehemals gut situierte und hoch kreditwürdige Haushalte aus gesunden Sozialstrukturen in prekäre Lebensverhältnisse gerutscht sind und nicht Konsumkredite Ursache für die Verschuldung sind“, so Overmann.

Selbst wenn Haltern am See von allen Kreisstädten den niedrigsten Wert verzeichnet, ist auch hier die Anzahl von 2161 auf 2261 Personen gestiegen. Hiervon befinden sich aktuell 535 Haushalte in der Schuldnerberatung des Diakonischen Werkes im Kirchenkreis Recklinghausen e. V. „Dahinter verbergen sich 1079 Personen, wovon 432 Kinder sind. Rechnet man die haushaltsangehörigen Personen hinzu, sind über 5000 Menschen in Haltern am See von Zahlungsunfähigkeit betroffen. 20 bis 25 Prozent aller Halterner Bürger leben danach in prekären Verhältnissen“, sagt Christian Overmann.

Arbeitslosigkeit und Scheidung bleiben die Hauptursache für Überschuldung. Nur elf Prozent der Fälle trifft Eigenverschulden, so Creditreform. Diakonie-Berater Christian Overmann sieht die Entwicklung mit Sorge: „Der Wirtschaftsboom erreicht noch zu wenig die Bedürftigen. Arm und Reich driften weiter auseinander.“

Inwieweit die neuen Zahlen Einfluss auf die Pläne der Stadt haben, die Schuldnerberatung der Diakonie ab 2016 (bis 2021) nicht mehr mit jährlich 60 000 Euro zu unterstützen, lässt die Stadt zum jetzigen Zeitpunkt offen. „Wir stehen im Gespräch, ob und wie die geplante Version zum Tragen kommt“, sagt Stadtsprecher Georg Bockey und betont, dass die Stadt die Schuldnerberatung „nicht platt machen“, sondern selbst übernehmen will, um den jährlichen Zuschuss einzusparen.