Marl/Vest. .

„Wie kriegen wir die Politik dazu, für diese Region endlich das zu tun, was wir hier brauchen?“ Es ist dies die alles entscheidende Frage, mit der Uta Heinrich, ehemalige Bürgermeisterin von Marl, im Maschinenübungsraum der Zeche Auguste Viktoria erläutert, worum es der Initiative „Emscher-Lippe 21“ (EL21), die sich an diesem Donnerstag erstmals öffentlich präsentiert, geht: dieser Region eine Zukunft zu schaffen. „Eine Region steht auf!“ hat sich EL21 dabei als Motto gegeben, denn genau das halten die Mitglieder der Initiative für bitter nötig. Schließlich sei es für diese Region bereits „fünf vor zwölf“, sagt Dr. Gudrun Bülow, Vizepräsidentin der IHK Nord Westfalen und neben Heinrich die zweite EL21-Sprecherin.

Fünf vor zwölf: Diese Einschätzung belegen die EL21-Mitglieder in der Folge mit Zahlen. Über die Hälfte aller industriellen Arbeitsplätze habe die Emscher-Lippe-Region in den letzten 30 Jahren verloren, erklärt etwa Jürgen Kroker, Direktor des Marler Bergwerks Auguste Viktoria. Doch dieser Rückzug der Industrie werde „in der Schärfe nicht wahrgenommen“. Schlimmer noch: Die Arbeitsmarktsituation werde sich in naher Zukunft weiter verschlechtern. Durch das Aus für die Zechen in Marl (2015) und Bottrop(2018) fielen 8000 Arbeitsplätze „unwiderruflich weg“. Weitere 10 000 seien bei Zulieferern und Auftragnehmern gefährdet.

Das EL21-Bündnis, das Rückendeckung von wichtigen Institutionen aus der Region erfährt (DGB Emscher-Lippe, Sparkassen, Kreishandwerkerschaft Recklinghausen, Handwerkskammer Münster, IHK Nord Westfalen, Westfälische Hochschule, u. a.), will der drohenden Verarmung der Region dabei entgegen wirken. Und es fordert die finanzielle Unterstützung von der Politik ein.

In den nächsten Wochen und Monaten will das EL21-Bündnis sich, seine Ziele, seine Internetseite (www.emscherlippe21.de) bekannter machen, um weitere Unterstützer aus der Wirtschaft und der Bevölkerung zu gewinnen. Und auch die Landtagsabgeordneten der Region will EL21 mit ins Boot holen. Zur Zukunftssicherung der Region.

Mit der beschäftigte sich gestern gemeinsam mit 20 anderen jungen Erwachsenen bei einer EL21-Zukunftswerkstatt auch der Hertener Fabian Dosedahl (22), der in Marl eine Ausbildung zum Kanalbauer macht. Sein Fazit? Er sei „sehr positiv überrascht“, dass sich so viele Menschen für diese Region engagieren. Und er hoffe inständig, „dass den Worten nun auch Taten folgen“.

Die Ziele der Initiative „Emscher-Lippe 21“:

Die Initiative „Emscher-Lippe 21“ (EL 21) hat sechs wirtschaftliche Leitlinien für die Entwicklung der Region und Forderungen an die Politik erarbeitet, die „hier und jetzt“ umgesetzt werden sollen:

1. Mehr Industrie. Mehr Gewerbe. Damit die Region eine Zukunft hat, müssen dringend neue Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe entstehen. Sonst, so EL 21, drohe die Verarmung der gesamten Region.

2. Sichere Arbeitsplätze. Sichere Zukunft. Die Region, so EL 21, muss wieder attraktiver für Unternehmen mit Arbeitsplätzen werden. Zudem müssten auch Niedrigqualifizierte, Ältere, Migranten für die Zukunftsbranchen fit gemacht werden. Sonst drohe ein Fachkräftemangel.

3. Mehr Platz zur Entfaltung und zum Wirtschaften. Neben einem klaren Bekenntnis zum Newpark fordert EL 21 weitere Flächen für wirtschaftliche Erweiterungen und Neuansiedlungen.

4. Blühende Landschaften und Städte im Westen. Die Finanzsituation der Städte in der EL-Region muss gestärkt werden, so EL 21. Zudem fordert die Initiative, dass Bund und EU bei wichtigen Projekten (etwa für eine bessere Infrastruktur) eine 100-Prozent-Förderung ermöglichen und der bislang nötige kommunale Eigenmittelanteil entfällt.

5. An einem Strang ziehen, bevor alle Stricke reißen. Das nördliche Ruhrgebiet braucht die Solidarität aller sowie die Förderung von Land, Bund und EU, erklärt EL 21. Fördergelder müssten daher wieder den hoch verschuldeten Städten in der EL-Region zukommen.

6. Für einen Neustart. Für faire Chancen. Das nördliche Ruhrgebiet habe längst ähnliche Förderprogramme wie die neuen Bundesländer nötig, daher müsse die Förderung aus dem regionalen Wirtschaftsförderungsprogramm aufgestockt werden, auslaufende Bergbau-Subventionen ganz in neue Projekte in der EL-Region fließen.