Recklinghausen. .

Der NRW-Innenminister ist ehrlich. Auf die Frage, ob er, der Botschafter des landesweiten Blitz-Marathons, auch schon mal einen Punkt wegen einer Geschwindigkeitsübertretung bekommen habe, sagt Ralf Jäger: „Ja klar. Wer behauptet, sich immer an die Verkehrsregeln gehalten zu haben, der sagt, glaube ich, nicht die Wahrheit.“

Es ist die dritte Auflage der 24-stündigen Tempokontrolle an 3000 Messpunkten in NRW. An einem davon, direkt vor dem Festspielhaus in Recklinghausen, machte der Minister Halt und Werbung in eigener Sache. Das Engagement von Nachbarschaft und des Familienzentrums Sternschnuppe („Sie sagen, es muss etwas passieren, bevor etwas passiert“) habe ihn beeindruckt.

Sandra Schroeder, Mutter zweier Kinder, hatte vor dem zweiten Blitzmarathon als eine von insgesamt 15 000 Menschen in NRW der Polizei „ihren Wutpunkt“ genannt. „In unserer Nachbarschaft wohnen viele Kinder. Sie spielen hier, gehen zum Kindergarten oder zu Schule. Wir haben den Eindruck, dass in dieser 30er-Zone viele Autofahrer viel zu schnell fahren; vielleicht auch weil die Schilder übersehen werden.“

Noch schlimmer, so Sternschnuppen-Leiterin Daniela Kielholz, sei es vor der Kita an der Josef-Wulff-Straße schräg gegenüber von Seniorenresidenz und Hotel. Dort gelte Tempo 10, gefahren würde – nicht nur von Ortsfremden – oft deutlich schneller. „Wenn ich zu entscheiden hätte, müsste an dieser Stelle eine Tafel angebracht werden, auf dem die Geschwindigkeit der Fahrzeuge angezeigt wird. Ob etwas und was verändert werde, so der Innenminister, stehe nicht in seiner Entscheidungskompetenz. Darüber befinde die Kommune. Er versprach Sandra Schroeder und allen Anwohner aber, in einem halben Jahr nachzuhaken.

Sein SPD-Parteikollege, Recklinghausens Landtagsabgeordneter Andreas Becker, nahm das von den Kita-Vorschulkindern erstellte große Plakat mit, auf dem sie ihre Wünsche zur Verbesserung der Verkehrssicherheit gemalt und geschrieben haben. Noch vor der Sitzung heute sollte es die Verkehrssicherungskommission erreichen. Der Minister kündigt derweil an, der Blitz-Marathon werde nicht der letzte gewesen sein. „Von Verkehrswissenschaftlern wissen wir, dass wir das immer und immer wieder tun müssen.“ Er werde die Aktion auch in der Innenministerkonferenz vorstellen, möglicherweise würde sie nicht nur – wie jetzt – von Niedersachsen, sondern auch von weiteren Bundesländern übernommen. „Je mehr Leute darüber sprechen und je mehr das Thema ins Bewusstsein kommt, desto besser.“

Erste Bilanz positiv

Die Blitzmessung lief kaum ein paar Stunden, da gab es den ersten negativen Höhepunkt. Mit Tempo 145 sei ein Verkehrsteilnehmer in Lünen in der 80er-Zone geblitzt worden, hieß es am Morgen am Festspielhügel. Geahndet werde das mit einem zweimonatigen Führerscheinentzug und einer Geldbuße in Höhe von 400 Euro. Innenminister Ralf Jäger: „Dass einige Unbelehrbare so eine Aktion nicht mitbekommen, ist bedauerlich.“

Die kreisweite Zwischenbilanz sah am Nachmittag derweil erfreulich aus. Bei 5000 angemessenen Fahrzeugen zwischen 6 und 15 Uhr habe es 349 Verstöße gegeben. Nur in einem Fall kam es zum Fahrverbot. Der Verkehrsteilnehmer hatte innerstädtisch (50 km/h) mit Tempo 88 zu sehr auf die Tube gedrückt.

Kommission berät

Entscheiden über Tempobegrenzungen, Aufstellen von Warnschildern oder bauliche Veränderungen auf einer Straße kann nicht der Innenminister. Zuständig ist, sofern es sich nicht um eine Kreis- oder Landesstraße handelt, die Kommune.

Bevor die Lokalpolitiker im Verkehrsausschuss und im Rat über Maßnahmen beraten, werden die Vorentscheidungen in der Verkehrssicherheitskommission getroffen. Der Kommission gehören diverse Vertreter des Ordnungsamtes und des Fachbereichs Tiefbau, von Polizei und Feuerwehr an. An diesem Donnerstag, so Verkehrsausschussvorsitzender Andreas Becker (SPD), tagt die Kommission. Der „Wutpunkt“ vor dem Festspielhaus könnte ein Thema sein.