Recklinghausen.. Am Sonntag fällt der Rest des Löhrhofturms. Die Thüringer Sprenggesellschaft hat 2006 bereits den Goliath in Marl sowie die Kühltürme in Castrop-Rauxel und Herten-Westerholt zur Strecke gebracht
Sie haben schon alles in die Luft gejagt: riesige Felsblöcke in Steinbrüchen, Wohnkomplexe wie 2006 den Marler Goliath oder Industrieruinen wie im gleichen Jahr die Kraftwerkskühltürme in Castrop-Rauxel und Herten-Westerholt. Dagegen macht sich der verbliebene Kern des Löhrhofturms, der am Sonntag fallen soll, beinahe klein aus. „Aber bei jeder Sprengung gibt es besondere Knackpunkte“, sagt Michael Schneider von der Thüringer Sprenggesellschaft, dem größten Unternehmen in Deutschland, das sich ausschließlich mit Sprengungen beschäftigt. Am Löhrhof ist es die nicht gerade üppige Fallfläche, der 53 Meter hohe Turm soll in die 60 Meter lang Baugrube in Richtung Westen gleiten. Fielen Teile des immer noch einige tausend Tonnen schweren Beton- und Stahlriesen über diese Grube hinaus, dann könnten umliegende Häuser beschädigt werden. Deren Nähe sorgt für eine weitere Herausforderung. Natürlich soll trotz der riesigen Menge Schutt, die am Sonntag etwa gegen 10.30 Uhr zu Boden sacken, auch keine einzige Scheibe in Mitleidenschaft gezogen werden.
Und dann ist da noch der Staub. Große Vliese soll ihn und vor allem sogenannten Sprengstreuflug, der Scheiben umliegender Gebäude beschädigen könnte, verhindern. Außerdem werden Wasserkanonen einen Sprühfilm auf den Boden legen und in die Luft schicken. „Aber es wird eine Staubwolke geben. Die können wir nicht schlucken, so etwas gibt es nur im Science Fiction“, sagt Michael Schneider. Ein bisschen hänge es auch von der Laune der Natur ab. Geht wenigstens ein lauer Wind, sei der Staub im wahrsten Sinne des Wortes bald verflogen. Steht die Luft, bleibt es länger diesig und staubig rund um den Löhrhof, der am Sonntag nach 40 Jahren buchstäblich endgültig dem Erdboden gleich gemacht wird.
Aus Sicht der Sprengfirma, die mit acht Leuten im Einsatz ist und damit so gut wie alles aufbietet was sie an Personal hat, lief im Vorfeld fast alles nach Plan. Wie auf jeder Baustelle sei Flexibilität gefragt. „Die Bewährungen sind nicht an jeder Stelle so wie in den Bauplänen eingezeichnet“, sagt Sprengmeister Schneider, der streng genommen zwar kein „Meister“ ist, dem aber angesichts 30-jähriger Berufserfahrung meisterliche Arbeit nachgesagt wird. An der Vorgabe, 50 Kilogramm Sprengstoff zu deponieren, hat sich wenig geändert. Es werden sogar nur 45 Kilogramm sein. Lediglich die Schätzung, diese in 250 Bohrlöchern zu platzieren, ging nicht ganz auf; zumal es zu Beginn der Arbeiten überhaupt keine Baupläne von dem Turm gegeben habe. Nun werden es am Ende 480 Bohrlöcher sein, in denen Schneider & Co. die Sprengladung versenken.
Tausende Tonnen Stahl und Beton
Die Sorge, dass es einen riesigen Knall geben könnte, wenn der Turm fällt, und mit den zu Boden gehenden, mehrere tausende Tonnen schweren Bruchstücken die Erde erzittern könnte, müsse niemand habe. Wenn der 53-Meter-Riese sich auf die Seite neigen und fallen wird, falle zugleich ein Teil der Wände im unteren Bereich in sich zusammen und nehme dem gesamten Baukörper damit einen Teil der Fallenergie. Wucht und Lautstärke des Aufpralls sollen sich so in Grenzen halten. Ein Bild davon mögen Michael Schneider und seine Crew beinahe ständig im Kopf haben. Da sie im Barbarossa-Hotel wohnen, haben sie ihre Arbeit selbst nach Feierabend immer noch im Blick.