Herten. .
„Wer interessiert sich für Politik?“ Monika Engel, Leiterin der Volkshochschule, schaut in die Runde. Über hundert Zehnt- und Elftklässler der Rosa-Parks-Gesamtschule blicken zurück. Fünf, sechs Finger heben sich.
Nun, dieser Freitagvormittag könnte dazu dienen, mehr Begeisterung für die Politik, fürs Mitmischen in der Demokratie zu wecken. Denn „ihr könnt heute kennenlernen, wie Politik geht und wir ihr darauf Einfluss nehmen könnt“, ermuntert Schulleiter Ludger Müller seine Zöglinge.
Schließlich sind genau ihre Vorstellungen unter dem Motto „Mach den Mund auf!“ gefragt. Beim Bürgerdialog, der bundesweit geführt wird und in Herten in Kooperation von VHS und Rosa-Parks-Gesamtschule stattfindet, geht es um nichts weniger als die Zukunft Deutschlands. Und die Diskussionsfragen dazu stellte niemand geringeres als Bundeskanzlerin Angela Merkel.
„Ich hoffe auf viele Anregungen auch für Herten“, spornt Bürgermeister Uli Paetzel die Schüler an, bevor sie sich in Gruppen drei zentralen Fragen widmen: Wie wollen wir in Zukunft lernen? Wie wollen wir zusammenleben? Wovon wollen wir leben?
Tja, die Arbeit der Zukunft. Am Tisch von Marvin (17), Carolin (18) und Co. wird überlegt. Eigentlich, finden die Gesamtschüler, wird das Arbeiten immer schwieriger. Jobs, für die früher ein Realschulabschluss gereicht habe, verlangten heute ein Abitur. Eine erste Überlegung dieser Runde lautet also: Bildungsqualifikationen künftig tiefer ansetzen.
Einige Tisch weiter diskutieren Loubna (16), Tamara (17) und ihre Mitschüler, wie sie lernen möchten. Mehr Projekte hätten sie gerne („Wenn Staatswesen Thema ist, könnte man doch einen passenden Ausflug machen“), würden gerne mit Hilfe von neuer Technik lernen. „Auch für den späteren Beruf ist es hilfreich, wenn man Programme wie Excel lernt“, meint Loubna.
Grundsätzlicher geht es an Tisch 1 zu: Wie wollen wir zusammenleben? David (17), Nurgül (17) und ihre Mitstreiter listen erst einmal Vorurteile gegenüber Deutschland auf („Nazis, Egoismus, sinkendes Sozialverhalten“), um dann Lösungen zu erarbeiten. Nurgül notiert als Vorschlag unter anderem dies: mehr Integrationsförderung, Anti-Nazi-Gruppen.
Vieles diskutieren die Schüler. Am Ende wählen sie sechs konkrete Handlungsvorschläge aus. Integration ist das große Schlüsselwort beim Zusammenleben. Gewünscht werden, nennt Monika Engel ein Beispiel, auch Kurse, in denen Migranten und Deutsche voneinander lernen. Arbeit, fordern die Schüler, muss sich lohnen (gleiche Bezahlung für Mann, Frau, Jung, Alt) – und sie wollen eine bessere Förderung für Schüler. Was wiederum zum Lernen führt, am liebsten mit modernen Medien und Kooperationen. Griffige Schlagzeile: „Lernen hört erst auf, wenn der lebende Organismus den Geist aufgibt“.
In einer kleinen Redaktionsgruppe werden die sechs Tipps für die Kanzlerin am Montag ausformuliert und auf die Internetseite www.dialog-ueber-deutschland.de hochgeladen. Laut Monika Engel geht es auch darum, dafür zu werben, dass diese Vorschläge dann auch von anderen Nutzern gewählt werden. Vier Schüler und eine Lehrkraft haben die Chance, am 3. Juni mit der Bundeskanzlerin persönlich zu diskutieren.
Diskussion in 50 Städten und im Internet
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat einen Dialog über Deutschlands Zukunft gestartet. Dabei will sie auch die Ideen der Bürger kennenlernen und diskutieren. Deshalb gibt es den Bürgerdialog: Auf der Internetplattform dialog-ueber-deutschland.de kann jeder eigene Vorschläge machen. Ergänzend dazu gibt es den konkreten Bürgerdialog in 50 Städten von Ulm bis Berlin – und Herten ist eine davon. Gemeinsam werden dort Vorschläge erarbeitet und in den bundesweiten Diskussionsprozess eingespeist. Das geschieht in Kooperation von Volkshochschul-Verband und Bertelsmann-Stiftung.