Recklinghausen. .

Ein alter Herr, 76 Jahre alt, lebt mit seiner gleichaltrigen Ehefrau zusammen. Die beiden besitzen einen Computer, der über ein geschütztes WLAN auch ins Internet kann, aber an den musikalischen Erzeugnissen von Bushido, Sido und David Guetta haben beide kein Interesse, wie sie ausdrücklich und glaubhaft beteuern.

Genau dafür aber sollen sie bezahlen, so zumindest steht es in der Abmahnung, die ihnen kürzlich ins Hause flatterte: Illegales File-Sharing lautet der Tatbestand, die Frist ist kurz, die Strafe hoch. „Und dann sitzt der Mann vor mir und fragt, was ist File-Sharing, wieso kriege ich so einen Brief und wer ist eigentlich Bushido?“, erzählt Anwalt Marcus Hochheimer von der Anwaltskanzlei Krings. Hochheimer und seine Kollegen beraten und betreuen in Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale Menschen, die sich mit Abmahnungen wegen Urheberechtsverletzungen konfrontiert sehen. Manche sind offensichtlich völlig unschuldig, wie der geschilderte Fall, andere haben vielleicht nicht selbst runtergeladen, aber Dritte, meist die eigenen Kinder, an den PC gelassen, wieder andere waren es tatsächlich selbst. Hilfe brauchen sie alle, denn das Geschäft mit den Abmahnungen boomt, und nicht selten gehen die Kanzleien skrupellos vor.

„Die Menschen sind teilweise psychisch am Ende“, weiß Hochheimer, „diese Abmahnungen sind darauf angelegt, Stress und Angst beim Empfänger zu produzieren“. Das geht, über sehr kurze Fristen, über verklausuliertes Juristendeutsch und hohe Forderungen, die in manchen Fällen den Betroffenen in ernste finanzielle Schwierigkeiten bringen würden. Egal ob schuldig oder nicht, es gilt, einen kühlen Kopf zu bewahren, auf gar keinen Fall aber die Abmahnung zu ignorieren.

„Auf jeden Fall handeln“, betont auch Wolfgang Henkel von der Verbraucherzentrale, die den Betroffenen für 80 Euro Rechtsberatung und -betreuung, unter anderem durch die Anwälte von Krings, anbietet. Die prüfen die Abmahnung, verhandeln mit der Gegenseite und helfen beim Aufsetzen der geforderten Unterlassungserklärung.

Meist kommen die Mandanten mit einem blauen Auge, sprich einer wesentlich geringeren Summe als ursprünglich gefordert, aus der Sache raus. Allein, dass sie zahlen müssen, selbst wenn sie unschuldig sind, daran lässt sich bei der momentanen Rechtslage meist nichts ändern.

Die Fälle derer, die aufgrund von Aktivitäten in Tauschbörsen abgemahnt werden, nimmt rasant zu. Die Verbraucherzentrale betreut bereits etwa drei Fälle pro Woche. Die Verbraucherschützer gehen längst auch an Schulen, um die Jugendlichen über die Risiken aufzuklären. Henkel mahnt vor allem auch Eltern, sich eingehender mit der Thematik zu beschäftigen: „Sie müssen sensibler werden, sich informieren und genau hinschauen, was ihre Kinder da machen.“