Vest/Gelsenkirchen. Das Sozialgericht Gelsenkirchen setzt auf neue Strukturen in Jobcentern auch im Vest.

Sie beackern in 35 Kammern Rechtsgebiete wie Renten-, Kranken-, Unfall- und Pflegeversicherung, Arbeitsförderung, Grundsicherung für Arbeitsuchende, soziales Entschädigungsrecht, Sozialhilfe, Asylbewerberleistungsgesetz, Schwerbehindertenrecht, Elterngeldgesetz und Vertragsarztrecht.

Und sie können sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen. Ganz im Gegenteil, die 24 Richterinnen und Richter des Sozialgerichts Gelsenkirchen, zuständig für 1,25 Millionen Einwohner der kreisfreien Städte Bottrop, Gelsenkirchen, Herne und des gesamten Kreises Recklinghausen, hatten 2011 entgegen dem Trend der Sozialgerichtsbarkeit in NRW beim sogenannten „Anhang“ von 9129 Verfahren 441 (5 %) mehr als im Jahr davor. Gleichzeitig konnten trotz eines „enormen hohen Fehlbedarfs“ im nichtrichterlichen Dienst, der immerhin die Ergebnisse der richterlichen Tätigkeit abarbeiten muss, mit 9000 Verfahren vier Prozent mehr zum Abschluss gebracht werden als 2010.

Eindrucksvolle Zahlen, die Gerichtspräsidentin Silvia Fleck, ihr Stellvertreter Arne Hoffmann, Pressedezernentin Frauke Specht und mit Mark Damerius einer der Fachleute aus dem Bereich „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ gestern bei der Jahrespressekonferenz vorlegten. Und Richter Damerius saß nicht ohne Grund mit am Tisch, stellt doch die „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ ein Drittel aller Verfahren am Sozialgericht. Bei Verfahren des Einstweiligen Rechtsschutzes“ (Eilverfahren) belegt diese „Grundsicherung“ sogar über 80 Prozent der eingehenden Verfahren (2011 waren es 666 von 864). Gerade diese Steigerung macht Strukturreformen im Ablauf von Antragstellung über Widerspruchsmöglichkeit bei Ablehnung und oft folgendem Klageweg nötig, geht es doch darum, den Rechtsuchenden so schnell wie möglich zu helfen. Und hier hob Präsidentin Silvia Fleck erste Ansätze „neuer Strukturen bei den Jobcentern im Kreis Recklinghausen hervor.“ Das mache Mut für die Zukunft und sorge jetzt schon dafür, dass das persönliche Gespräch zwischen Sachbearbeitern und Richtern langwierige „richterliche Verfügungen“ mit viel Schriftverkehr hin und her überflüssig mache und für Lösungen „auf dem kleinen Dienstweg“ sorge. Sachbearbeiter im Jobcenter und Richter in Gelsenkirchen verfügen mittlerweile über Telefonlisten mit dem jeweils zuständigen Ansprechpartner. Vertreter aller Jobcenter aus dem Gerichtsbezirk sind übrigens im April zu „intensiven Gesprächen“ nach Gelsenkirchen eingeladen.

Dass das Sozialgericht nicht, wie oft angenommen, der verlängerte Arm von Behörden und Sozialversicherungen ist, beweisen zwei nackte Zahlen. So endeten fast 40 Prozent aller Klagen für die Betroffenen „ganz oder teilweise erfolgreich“. Und bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende waren es sogar 44 Prozent. Eine andere Zahl dokumentiert allerdings eine Kostenexplosion innerhalb von nur sechs Jahren, mit der damals wohl niemand gerechnet hätte. Die Ausgaben für Prozesskostenhilfe, 2005 noch 172 985 Euro, verfünffachten sich auf 867 740 Euro.