Haltern am See. Immer früher müssen Schüler entscheiden, welchen Berufsweg sie einschlagen. Die Schülerpotenzial-Analyse soll helfen.

Die Studienmöglichkeiten sind unübersichtlich, die „Numeri Clausi“ haben sich vervielfacht, die Hörsäle sind überfüllt, andererseits wird in vielen Ausbildungsberufen qualifizierter Nachwuchs gesucht. Irgendwann holt sie jeden Abiturienten ein, die quälende Frage: Wohin nach dem Abi? Als Lehrling in ein Unternehmen? Oder doch besser an die Universität? Und wenn studieren, dann was? Aber wie finden zum Teil erst 16-jährige Schülerinnen und Schüler dies heraus? Das Joseph-König-Gymnasium empfiehlt seinen Oberstufenschülern eine Schülerpotenzial-Analyse.

Lutz Thimm, Leiter des gleichnamigen Instituts für Bildungs- und Karriereberatung, schickt die teilnehmenden Schüler in einen Parcours aus Wissenstest, Gruppenaufgabe, Bastelarbeit. Die schon legendäre Gruppenaufgabe, in der es darum geht, ein Ei so zu verpacken, dass es einen Sturz übersteht, ist „out“.

„In diesem Jahr“, sagt Lutz Thimm, „ging es um den Bau einer Brücke, die die überflutete Stadt Haltern überspannt.“ Den Schülern standen Papier, Kleber, Schere und Playmobil-Figürchen zur Verfügung. Daraus sollte die Papierbrücke entstehen. Aber wie?

Die Gruppenarbeit habe auch dieses Jahr wieder belegt, dass „die Schülerinnen sich super Gedanken machten, aber die Schüler das Ergebnis besser verkaufen konnten“. Überhaupt werde bei der Potenzial-Analyse deutlich: Mädchen zerbrächen sich mehr den Kopf um ihre Zukunft, Jungs ließen es laufen. Und die Eltern? „Die fragen nur nach den Berufsaussichten“, so Lutz Thimm.

Die Aufgabenstellungen mögen vor allem Ältere und Eltern „seltsam“ finden, aber im Berufsleben gehe es heute nicht mehr nur um Punkte im Abitur, sondern auch darum, kreativ zu sein, Entscheidungen zu vertreten, seine Vorzüge zu präsentieren. Deshalb beobachten die Instituts-Mitarbeiter während des Tests auch das Verhalten der Schüler in der Gruppe: Wer nimmt das Heft in die Hand? Wer hat die besten Ideen?

Der Institutsleiter sieht vor allem seine Aufgabe darin, den Pennälern Orientierung an die Hand zu geben. „Dies ist kein Entscheidungstest, der ein fertiges Berufsbild liefert, sondern eine Empfehlung.“ Mancher Schüler frage sich vielleicht nach dem Test, was er „schulisch noch herausholen kann“. Das könne „meinethalben auch in einer Schleimspur zum Lehrer“ münden, um die Note noch zu verbessern. Gleichzeitig warnt Thimm davor, den Beruf nur nach dem Notendurchschnitt zu wählen. Wichtiger sei, eigene Stärken und Schwächen zu kennen.

Ihre Ergebnisse erfuhren die Schülerinnen und Schüler gestern im Einzelgespräch (Beisein der Eltern erwünscht). Mancher Schüler haderte mit der Empfehlung, die so gar nicht dem Berufswunsch entsprach, andere fühlten sich bestätigt. So schrieb eine Schülerin: „Ich fand gut, dass man mir die Hoffnung wieder gegeben hat.“

Ein Ergebnis freut vor allem das Joseph-König-Gymnasium. Haltern gehöre „immer zu den Top Ten“ unter den 240 Gymnasien, an denen das Institut die Schülerpotenzial-Analyse vornehme, so Thimm. In diesem Jahr rangiere es zwar „nur“ unter den Top 30, aber das sei wohl dem Doppeljahrgang geschuldet.