Vest. .

Minus 15,1 Grad: Nein nicht in Russland, das war Haltern am See, morgens um 7 und damit gestern der kälteste Ort im Vest. Und am Morgen hasten Rotnasen unter wollenen Mützen bibbernd durch die Straßen. Wir frieren, doch auch wenn es keiner hören will: Kalte Zehen sind nur das kleinste einer Reihe von Problemen, die der unverhofften Eiszeit im Schlepptau folgen.

Wer dieser Tage keine Bleibe hat, schwebt schlicht in Lebensgefahr. „Bei uns sind Gott seid Dank alle untergebracht“, erklärt Ingo Kohlhage, Sozialarbeiter im Café HübsSch (Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten) der Diakonie in Datteln. Menschen ohne Wohnsitz sind in den Unterkünften der Wohnungslosenhilfe oder bei Bekannten untergekommen. Die Solidarität der Bürger ist groß: „Wir kriegen viele Spenden im Moment, vor allem Winterjacken“, freut sich Ingo Kohlhage. Wer dennoch Obdachlose in der Eiseskälte bemerkt, sollte unbedingt Polizei oder Ordnungsamt verständigen: „Auf keinen Fall liegen lassen“, bittet der Experte. Häufig sorge übermäßiger Alkoholkonsum dafür, dass die Betroffenen die Kälte nicht spüren.

Weniger existenziell, aber keinesfalls zu verachten sind derzeit die Sorgen der Hausbesitzer: Wenn Wasser gefriert, dehnt es sich aus und kann so leicht Rohre sprengen. Die Verbraucherzentrale rät deshalb zu einer vernünftigen Hausrat- und Wohngebäude-Versicherung. Auch die zahlt aber nur, wenn die Rohre fachgerecht gewartet und die Wohnräume ordentlich beheizt wurden.

Größere Sorgen bereitet die Eiseskälte zusehends der Binnenschifffahrt. Dies wirkt sich auf die heimische Wirtschaft aus. Zum Beispiel im Chemiepark in Marl. Dort richtet man sich bereits darauf ein, dass die Werke über den Wasserweg in den nächsten Tagen nicht mehr erreichbar sein werden. Bis gestern Nachmittag waren nur noch die Schleusen in Ahsen und in Flaesheim passierbar, so dass die Rohstoffe und Waren zur Produktion über Umwege im Marler Hafen des Chemieparks anlegen und die Ladung löschen konnten. Doch auch diese beiden Schleusen stünden kurz vor der Schließung, wie es gestern von Seiten des Chemieparks hieß. Dort sei man aber vorbereitet. Die Produktion werde gedrosselt, die Lagerkapazitäten erhöht. Zehn Tage ohne Nachschub lassen sich überbrücken, sagt eine Sprecherin.

Des einen Leid ist des anderen Freud. In Haltern am See wurde gestern der Angelteich am Sythener Schlosspark fürs Schlittschuhlaufen freigegeben. Die notwendige Eisdicke von 15 Zentimeter wurde um zwei überschritten. Tabu bleiben die Stauseen. „Aus Haftungsgründen ist das Betreten der Eisfläche nicht erlaubt“, sagt ein Sprecher von Gelsenwasser. Gefahrlos möglich sei dies zuletzt im Winter 1996 / 97 gewesen. Verboten ist das Betreten von Eisflächen noch in Marl und in Waltrop. Auf den Mollbeck-Teichen in Recklinghausen fehlen noch ein paar Zentimeter Eisdicke. In Oer-Erkenschwick ist Schlittschuhlaufen grundsätzlich nicht möglich. Dort gibt es keine geeigneten Gewässer.

Bleiben nur die kalten Zehen: Ein Fußbad soll da helfen mit Latschenkiefer- und Zimtöl zum Beispiel, dazu eine Tasse frischer Ingwer-Tee und schon wird’s warm ums Herz – und um die Füße.