Essen/Marl. . Gericht verhängt Bewährungsstrafe für 60-Jährigen. Sein Opfer, heute 21Jahre alt, leidet unter Alpträumen.
Ein Geständnis, so wie er es angekündigt hatte? Daraus wird erst einmal nichts. „Ich habe ihnen doch nur den Rücken eingecremt“, behauptete stattdessen der Angeklagte aus Marl gestern vor dem Essener Landgericht. Vorgeworfen wird dem 60-Jährigen, der schon fünfmal verheiratet war, dass er in einer der Ehen eine anfangs neunjährige Stieftochter seit 1999 erst in einer Dorstener, dann in einer Marler Wohnung sexuell missbraucht haben soll. Es dauert, bis er das endlich einräumt und die V. Strafkammer ihn wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in sechs Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt.
Mit weißer Kappe und lila Gehhilfe erscheint der Marler vor Gericht, offenbar ziemlich gebrechlich. So ganz glaubt ihm die Kammer das nicht. Sie hält ihn für „fitter, als er sich darstellt“. Der Marler erzählt gerne von seinem Hobby, dem Internet-Radio, davon, wie nett er zu seinen Stieftöchtern war, dass er ihnen sogar Taschengeld gab. Die Kurve zum Geständnis bekommt er erst, nachdem ihn Richterin Luise Nünning auf die Sprünge hilft und erklärt: „So etwas zu gestehen, ist schambesetzt. Wir kommen nur weiter, wenn sie die Scham überwinden.“
Nach einer Pause räumt er ein, seine Stieftochter unsittlich berührt und geküsst zu haben. Nicht beim Eincremen, sondern zum Beispiel, als das Kind krank war, die anderen in der Schule und die Mutter beim Einkaufen.
Die jetzt 21-Jährige weint bitterlich während des Urteils. „Ich komme im Moment gar nicht klar damit“, sagt sie zuvor als Zeugin. Sie leidet noch heute unter Alpträumen und Schlafstörungen. Staatsanwältin Beke Nossek beantragt eine Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Sie erinnert daran, dass der Angeklagte 1999, als der Missbrauch begann, gerade aus der Haft entlassen worden war. Drei Jahre, drei Monate hatte er gesessen, weil er eine Stieftochter aus einer anderen Ehe missbraucht hatte.
Die Sache kam erst jetzt zur Anklage, weil die junge Frau sich erst spät entschlossen hatte, zur Polizei zu gehen. Ihre Mutter glaubte ihr nicht. „Das ist sicher schwer zu ertragen“, meint Richterin Nünning und vermutet: „Manchmal schlimmer als die Tat selber.“