Haltern am See.
Während Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Bündnis 90/Die Grünen) über Qualzucht, Antibiotika-Einsatz in der Viehmast, Flächenverbrauch und Altlasten sprach, tickte in seinem Rücken unaufhörlich die Flächenverbrauchsuhr. Die zeigte am Dienstagabend für das Vest 16 677 138 784 Quadratmeter landwirtschaftliche Fläche an, zum Ende der Veranstaltung waren es 16 677 120 030 Quadratmeter. Was einem Verlust von Produktionsfläche für fünf Sack Weizen entspricht, die Jungbauern als mahnendes Symbol in den Veranstaltungssaal des Seehofes karrten.
Zwei Quadratmeter landwirtschaftlich genutzte Fläche gehen pro Sekunde im Vest verloren. Es wird für Wohn- und Gewerbegebiete zugebaut, für Windkraftanlagen und zusätzliche Straßen gebraucht oder muss als Ausgleichsfläche dienen. Auf ihrem Verbandstag am Dienstagabend riefen die Bauern vehement dazu auf, den „Flächenfraß zu stoppen“.
Trotz aller Gräben bei der Masttierhaltung fanden die 350 Bauern aus dem Vest in dem grünen Minister einen Mitstreiter für ihre Anliegen. Der forderte von den Landwirten „mehr Beistand“ ein, um das im Koalitionsvertrag fest geschriebene Ziel, den Flächenverbrauch in NRW von täglich 13 Hektar auf fünf zu drücken. „Wir brauchen nicht den zehnten und zwölften Baumarkt und den zehnten und zwölften Discounter. Selbst wenn die Bürgermeister das wollen. Wir müssen mit den Bürgermeistern in den Clinch gehen, um Flächen, die bereits unter Baurecht stehen, wieder herauszunehmen.“
Sieben Millionen für Sanierung
Stattdessen will der Minister mehr Innenverdichtung in den Städten und mehr Sanierung von Altlasten-Flächen. Landesweit stehen dafür sieben Millionen Euro zur Verfügung. Zu wenig, sagt Remmel.
Gerade die Landwirte „versuchten“, Flächen vernichtende Projekte zu stoppen, wandte ein Bauer ein und sprach für seine 60 Berufskollegen aus Waltrop. „Wir haben die B 74 n in Waltrop verhindert und wir versuchen das Kraftwerk in Datteln zu verhindern, weil unsere Kommune zu klein ist, um die Ausgleichsflächen dafür zu stellen.“ Und auch zum New Park habe man eine andere Meinung. Man vermisse allerdings beim NRW-Landwirtschaftsminister das Rückgrat gegenüber der Industrie. Wie der denn zum New Park stehe? Der wich aus: „Als Regierungsmitglied kann ich zu konkreten Projekten keine Stellung nehmen.“
Vehement sprach sich Remmel gegen die „Qualzucht“ in der Tierhaltung aus. Die Kastration von Schweinen, das Kupieren der Schwänze, ungesundes, aber wachstumsförderndes Futter und industrielle Tierhaltung müssten ein Ende haben. Auf einen Zeitraum für die Revolution in den Ställen ließ sich der Minister nicht festlegen. Immerhin: 332 Betriebe im landwirtschaftlichen Kreisverband Recklinghausen züchten Schweine (153 000, davon 110 000 Mastschweine) 388 Rinder (32 000, davon 6 000 Milchkühe) und 159 Legehennen (36 000). Selbst der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) ist für die Begrenzung des privilegierten Baurechts für Ställe, stößt damit aber auf Widerstand beim Bauernverband. Minister Remmel hofft auf die „örtliche Verträglichkeit“ der Ställe und will den Kommunen entsprechende Steuermöglichkeiten in die Hand geben. „Die Veränderung des Baurechts alleine hilft nicht“, so Remmel.
Auch zum aktuellen Verbraucherschutz bezog der Umweltminister Stellung. Am Dienstagabend kündigte er in der Seestadt an: die landesweite Datenbank, die seit gestern tatsächlich online ist und die dem Missbrauch von Antibiotika in der Hähnchenmast vorbeugen soll.