Recklinghausen / New York. . Stefan Bauers Jazz-musikalische Wege zwischen Recklinghausen, Winnipeg und Brooklyn
„Für Musiker ist der Begriff relativ“, meint Stefan Bauer, „weil man sich viel bewegt.“ Der Begriff lautet: Lebensmittelpunkt – und beweglich ist der 55-jährige Jazzer unbestreitbar. Mit seiner Familie lebt der gebürtige Recklinghäuser seit elf Jahren in Brooklyn, New York. Er hat aber auch Jahre in der kanadischen Prärie verbracht – in Winnipeg, Manitoba – und war als Gast des Goethe-Instituts auf Konzertreisen in aller Welt.
Und am Freitag gibt Stefan Bauer, der Vibraphonist, Marimba- und gelegentlich Klavierspieler, in der kleinen, rührigen Altstadtschmiede ein „Konzert plus“: die Kreation aus Musik, Literatur und Performance ist seine Idee – und künstlerisch ein sicherer Erfolg. Weiß Stefan Bauer, denn: „Jeder ist eine Granate auf seinem Gebiet. Selbst wenn es Stückwerk bliebe, wäre es für das Publikum stimulierend.“ Aber es soll ja mehr werden – das „Teamwork von vier Individualisten“.
Mit dieser Formulierung hat er auch gleich eine schöne Definition seiner Musik – des Jazz – abgeliefert. „Mit zehn Jahren war ich voll infiziert“, er überlegt kurz: „Infektion ist wirklich der beste Ausdruck.“ Der Schüler hörte gerne die Plattensammlung seines Vaters – und wer ist der berühmteste Vibraphonist? Big Band-Boss Lionel Hampton. „Plötzlich war diese Musik im Vordergrund – von einem Tag auf den anderen.“
Die klassischen Klavierstunden sind ihm dennoch lieb und teuer. „Das hat mir mehr als einmal den Hals gerettet“: Stefan Bauer war in Amerika auch Klavierbegleiter, spielte sogar „Dinner Music“ in eleganteren Restaurants.
„Sehr oft“, bestätigt der Musiker, nimmt das amerikanische Publikum Jazz nur als Background-Geräusch wahr. „Zuhören ist ein Geschenk“, sagt Stefan Bauer. Diese europäische „Tradition des Respekts vor der Kunst“ vermisst er im Heimatland des Jazz.
„Liebe und Abenteuerlust“ hatten ihn zunächst für Jahre nach Winnipeg verschlagen: die Heimatstadt von Neil Young nennt er „eine Mischung aus Großstadt und totaler Provinz“. Der endlos weite Horizont könne befreiend wirken – oder beänstigend. Seine aus Äthiopien stammende Frau hatte dort Verwandte. Zurück blieb vor 20 Jahren ein „Super-Job bei Folkwang und ein guter Draht zum WDR und zum Goethe-Institut“.
Ungeschmälert blieb die – nicht nur musikalische – Entdeckerfreude. „Ich bin kein Fachidiot“, sagt Stefan Bauer. Sein bevorzugtes Instrument, das Vibraphon, stehe nicht nur im Alphabet „ziemlich weit unten“. Das hat Konsequenzen: „Das Vibraphon ist wie ein Cabrio – es wird nicht unbedingt gebraucht.“ Einerseits. – „Das kann aber auch ein Ausgangspunkt sein für unerforschte Möglichkeiten.“ Für den 55-Jährigen ist der Sound seines Instrumentes seit 35 Jahren unverbraucht und frisch: Seine Musik kann nicht sein ohne das gewisse „Element der Überraschung“.
Seine aktuelle CD, erschienen beim Kölner Jazzhaus-Label, heißt denn auch „Voyage“. Das Innencover zeigt auch die wahlheimatliche Brooklyn Bridge. Dort übrigens unterrichtet Stefan Bauer auch Orff’ sche Schulmusik – „ganz elementar“. Er könne nur „den Hut ziehen vor Carl Orff“. Ob bei der Basisarbeit mit Kindern oder auf höchstem improvisatorischem Niveau: Stefan Bauer glaubt, dass Kultur genau das kann: „Türen öffnen.“ Er selbst hat’s so erlebt.