Marl.
Wenige Minuten genügen, da hat das Thema „Cybermobbing“ auch den letzten der 7 c der Willy-Brandt-Gesamtschule gepackt. Ein Video über einen Jungen, der von Mitschülern gemobbt wurde – per SMS, im Internet – haben die Siebtklässler an diesem Freitagmittag gerade gesehen. Sie haben miterlebt, wie der Junge „Looser“ und „Kissass“, Streber, genannt wird; wie ihm gar Todesdrohungen geschickt werden. Eine Szene schließlich zeigt den völlig verzweifelten Jungen vor der Web-Cam; er sagt, er werde nun „irgendetwas machen . . .“ – „Sich umbringen?“ fragt eine Schülerin.
Die Botschaft, die Sylvia Kaufmann (29) und Sebastian Schreiber (24), Medienpädagogen vom „Media Education-Teams“ der VZ-Netzwerke aus Berlin, den Siebtklässlern vermitteln wollen: In diesem Moment scheint sie endgültig angekommen zu sein. „Cybermobbing ist Mobbing. Und es kann Leben zerstören.“
Um den Schülern dies bewusst zu machen und um sie auf die Gefahren im World Wide Web aufmerksam zu machen, hat die Willy-Brandt-Gesamtschule in dieser Woche erstmals eine Projektwoche zum Thema „Cybermobbing“ initiiert. Grundlage für die Wahl dieses Themas sei die Erkenntnis, „dass bereits jeder dritte Jugendliche Opfer von Cybermobbing ist“, zitiert Christiane Menzel, Gesellschaftslehrerin der 7 c, aus einer jüngst von der Uni Münster und der Techniker-Krankenkasse erstellten Studie.
„Cybermobbing“, sagt Sebastian Schreiber, „gibt es an jeder Schule.“ Auch an der Marler Willy-Brandt-Gesamtschule. Gleich drei Fälle, in denen ein Schüler von anderen via Handy und im Netz anonym beleidigt und bedroht wurde, habe es im vergangenen halben Jahr gegeben, gesteht Pädagogin Menzel. „Doch zum Glück haben wir alle drei Fälle innerhalb des jeweiligen Klassenverbandes lösen können.“ Durch intensive Gespräche; und durch harte Sanktionen für die Täter.
In der 7 c ist Cybermobbing dagegen noch kein Problem. In der modernen Medienwelt indes mischen die Zwölf- und 13-Jährigen längst mit. Gut die Hälfte der Klasse etwa ist täglich im Internet – unter anderen, um auf SchülerVZ mit Freunden zu chatten. Bundesweit, sagt Sebastian Schreiber, seien bei dem Online-Netzwerk sechs Millionen (!) Zehn- bis 16-Jährige angemeldet. Wo liegen die Chancen solch eines sozialen Netzwerkes? Und was sind mögliche Gefahren?
Sylvia Kaufmann und Sebastian Schreiber versuchen die Marler Schüler dafür zu sensibilisieren, was mit Informationen in der virtuellen Welt alles passieren kann. „Gebt im Netz keine zu privaten Informationen über Euch preis! Verratet zum Beispiel nicht Eure Handynummer, nennt nicht Euren vollständigen Namen, stellt keine Bikini-Bilder von Euch ins Netz!“ Denn all’ das könnten andere missbrauchen – Bilder verfremden, einem anonym böse SMS schicken . . .
Es sei auch dies eine Gefahr des Cybermobbing, sagt Sebastian Schreiber, dass potenzielle Täter durch die Anonymität weniger Hemmungen hätten, andere zu beleidigen. Wie man sich gegen diese Form von psychischer Gewalt zur Wehr setzen kann? „Man sollte sich Hilfe holen.“ Beim Klassenlehrer, bei den Eltern. Oder auch bei mit der Problematik vertrauten Mitschülern.
An der Willy-Brandt-Gesamtschule werden solche Schüler-Experten für potenzielle Cybermobbing-Opfer übrigens gerade ausgebildet, im Januar 2012 sollen sie ihre Arbeit aufnehmen. Ihr Name: „Cyberpiloten“.