Recklinghausen. .
Eine Patientin, die infolge ständiger Bauchschmerzen zum Arzt kommt; eine andere, die von ihrem Psychotherapeuten wegen anhaltender Angstschübe behandelt wird; eine dritte, der ein Zahn abgebrochen ist . . . All dies könnten Hinweise darauf sein, dass die betreffende Frau ein Opfer häuslicher Gewalt sei, sagt Ulrike Upmeier von der Frauenberatungsstelle Recklinghausen. Doch viel zu häufig noch bleibe erlebte Gewalt als Hintergrund gesundheitlicher Beschwerden unerkannt; auch werde sie „oftmals nur in bildungsfernen Schichten vermutet“, sagt Ulla Simon, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt.
Dabei gibt es häusliche Gewalt – also Gewalt innerhalb einer Beziehung von Erwachsenen – in jeder gesellschaftlichen Schicht. Und zunehmend häufiger ist in den vergangenen Jahren in Recklinghausen die Polizei ausgerückt, um Betroffene vor Übergriffen zu schützen – allein 2010 insgesamt 227 Mal (Fallzahlen zum Vergleich: 2007 = 165; 2008 = 186; 2009 = 203).
Doch auch wenn die Sensibilität für die Problematik häuslicher Gewalt in den letzten Jahren gestiegen ist und damit die Bereitschaft zur Anzeige, wie Ulrike Upmeier angesichts dieser gestiegenen Fallzahlen anmerkt: Wenn die Polizei ins Spiel kommt, haben Gewaltopfer in den meisten Fällen schon eine lange Leidensgeschichte hinter sich. Sie wurden bedroht, psychisch erniedrigt, in die wirtschaftliche und gesellschaftliche Isolation gedrängt. Dann gab es eine erste Ohrfeige, eine zweite . . . „Viele Frauen“, so Ulrike Upmeier, „stecken über Jahre in einer Gewaltspirale.“ Und zunehmend mehr hinterlassen Misshandlungen ihre körperlichen und seelischen Spuren.
Doch wie lassen sich diese erkennen?
Nun: Eine Veranstaltung des Recklinghäuser Frauenforums am 19. Oktober im Prosper-Hospital soll (Zahn)-Ärzte, Therapeuten, Fachleute, aber auch interessierte Laien für Hinweise auf häusliche Gewalt sensibilisieren. Zudem sollen Handlungsstrategien bei häuslicher Gewalt thematisiert werden: Was ist im Verdachtsfalle mit der ärztlichen Schweigepflicht? Und welche Hilfen kann ich betroffenen Frauen anbieten – und das auch noch schnellstmöglich?
Ulrike Upmeier und Ulla Simon – beide Mitglieder des 2005 in Recklinghausen gegründeten Runden Tisches gegen häusliche Gewalt, dem auch eine Rechtsanwältin, Vertreter des Frauenhauses und eine Opferschutzbeauftragte der Polizei angehören – sagen, durch dieses Gremium sei die Vernetzung von Einrichtungen verbessert worden. Und dennoch erhoffen sich die beiden Frauen von der Veranstaltung am 19. Oktober weitere Impulse – auf dass Anzeichen häuslicher Gewalt von Ärzten, Therapeuten, uns allen, besser gedeutet werden und Betroffenen so (noch) schneller geholfen werden könne – falls diese Hilfe annehmen wollen. Denn bei allen denkbaren Hilfsangeboten für Gewaltopfer gelte: „Es darf nichts über den Kopf der betroffenen Frau hinweg passieren“, so Ulrike Upmeier.
Denn dann befände sie sich erneut in einer Opferrolle.