Recklinghausen. . Vor zwölf Jahren starb der blinde Komponist Louis Thomas Hardin – eine Tafel vor der Alten Apotheke soll bald an ihn erinnern.

Ganz stilecht müsste die kleine Erinnerung an „Moondog’s Corner“ auf eine Papptafel geschrieben – und an einem Lanzenschaft befestigt sein. Den könnte man dann ins Pflaster vor die Alte Apotheke rammen.

Nein, tatsächlich soll die Erinnerung an Moondog, den blinden amerikanischen Komponisten Louis Thomas Hardin (1916 bis 1999), ganz dezent gestaltet sein: wie die bereits an dem Baudenkmal in der Breiten Straße angebrachte kleine Tafel des Heimatvereins. Er „habe gerade mit Dr. Strunk gesprochen“, erzählt Tom Klatt, einen Tag vor dem heutigen zwölften Todestag des zu Ehrenden. Der Altstadt-Apotheker ist einverstanden.

Schließlich haben einige Recklinghäuser ihre eigenen, teils rührenden Erinnerungen an den Komponisten, der sich während seiner Zeit im Vest in voller Wikingermontur – samt Hörnerhelm und Speer – vor die Alte Apotheke stellte und seine Poesie verkaufte: „Moondog’s Corner“. Einen ähnlichen Stammplatz (aber statt für ein Jahr für Jahrzehnte) hatte der in Marysville, Kansas, geborene Avantgardist vor dem Hilton-Hotel in New York: „Der Wikinger der 6th Avenue“ heißt seine autorisierte Biografie.

Tom „Tornado“ Klatt, der bald 60-jährige Sammler und Kenner der Pop-Kultur, erzählt freiweg und „unautorisiert“ von seiner ersten Begegnung mit Louis Hardin. Seine Musik kannte er schon als Jugendlicher, ohne es zu wissen: Denn die britische BFBS sendete „Stomping Ground“ als Intro einer ihrer Sendungen.

Den ersten deutschsprachigen Artikel über Moondogs Musik zwischen barockem Kontrapunkt und indianischen Rhythmen las Tom Klatt 1969 in der Schweizer Underground-Zeitung „Hotcha“ und war sofort begeistert: „Jazzig und klassisch – was ist das denn?“ Fünf Jahre später las der damals 22-Jährige in „Sounds“, dass der blinde Komponist, der seine Werke in Braille-Schrift stanzte, für ein großes Chor- und Orgelkonzert nach Deutschland reisen würde.

„Ich schrieb an die Redaktion“, erzählt Tom Klatt, dass er selbst gerne Konzerte mit Moondog veranstalten würde – und hörte erstmal nichts. Am historischen 6. Juni 1974 „zwei Tage nach der Geburt meiner Tochter“ klingelte ein Taxifahrer: „Da ist jemand für Sie aus Amerika.“ Mit Speer und Helm saß der damals 58-jährige Moondog hinter dem Fahrer. Er hatte sich aus Hamburg chauffieren lassen und dem jungen Musikfan „Tornado“ Klatt eine 250 DM-Rechnung beschert: „Das war das Haushaltsgeld für einen ganzen Monat.“

Dennoch war sein monatelanger Hausgast im („heute wegsanierten“) Fachwerkhäuschen am Paulsörter „ein ganz wunderbarer Mensch“, schwärmt Tom Klatt. Der Blinde, 36 Jahre älter als sein Gastgeber, lebte sehr selbstständig und „kochte Kaffee wie ein Cowboy mit zerstampften Bohnen“. Die anrüchigste Erfahrung mit Moondog war wohl, als sich der sowohl von der nordischen „Edda“ wie von indianischer Kultur begeisterte Musiker eine gewaltige Trommel für sechs Spieler baute – und ein Kuhfell frisch vom Schlachthof am Bruchweg holte: „Die ganze Straße hat gestunken.“

Bis zu seinem Tod am 8. September 1999 in Münster blieb Louis Thomas Hardin in Europa. In Schweden war er schon zu Lebzeiten Ehrenbürger. Zeit für eine kleine Plakette an seinem Stammplatz in der Breiten Straße.