Recklinghausen.

Gestern startete der „Sommerschlussverkauf“. Verbraucherzentrale warnt vor Impulskäufen

Der gestrige Montag war der letzte Montag im Juli. 2003 bedeutete das noch Kontostand abrufen, vergessene Münzen aus Sofaritze und Jackentasche kramen und ab in die nächste Einkaufsstadt zum Sommerschlussverkauf (SSV). Sich von der Anziehungskraft des reizenden Angebotes freisprechen, das kann wohl niemand.

Ruft man sich Bilder aus dieser Zeit in Erinnerung, sieht man Horden euphorisierter Schnäppchenjäger vor sich, die sich in aller Herrgottsfrühe an den Schaufenstern etwaiger Ladenketten die Nasen quetschten und um Öffnung flehten. Diejenigen, die den Kampf um den Preishit gewannen, verließen mit vollen Tüten und selig-stolzem Blick das Geschäft. Die Unglückseligen, die ob des mangelnden Angebotes leer ausgegangen sind, zweifelten: Ein Leben ohne reduzierten Flachbildfernseher? Nicht mit Pappi. Der Winterschlussverkauf wird kommen.

Den gemeinen Saisonschlussverkauf gibt es nicht mehr, seit der Reform des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb im Jahr 2004 sind Rabattaktionen über das ganze Jahr erlaubt. Schilder, die explizit einen SSV ankündigen, sind rar geworden. Dennoch sind die Schaufenster der Recklinghäuser Innenstadt gepflastert mit „Sale“-Ankündigungen in heiterem pink. „Es gibt einfach eine Affinität zu billigen Einkäufen. Jetzt ist es günstig und jetzt muss ich zuschlagen“, weiß Wolfgang Henkel, Berater in der Verbraucherzentrale in Recklinghausen, um das Kaufverhalten vieler Verbraucher. Oft kaufe man durch farbenfrohe Verlockungen Dinge, die man gar nicht benötige, und riskiere für das Schnäppchen sogar auch noch zweistellige Dispozinsen. Darüber hinaus warnt er vor Ware, die extra für den Schlussverkauf produziert wird: minderwertig und daher alles andere als ein Sonderangebot. Auch im Schlussverkauf dürfe man den Aspekt der Nachhaltigkeit nicht aus den Augen verlieren, so der Diplom-Betriebswirt. „Ein T-Shirt für fünf Euro, kann das sein?“, sollte man stets Dumpingpreise mit einem kritischen Blick auf potenzielle Produktions- und Arbeitsbedingungen hinterfragen. Natürlich gebe es auch noch Rabattaktionen mit Lagerräumungsfunktion.

So zum Beispiel im Wäschegeschäft Hunkemöller. „Die neue Kollektion wartet“, verrät hier Filialleiterin Anke Hollender. Sie begrüßt es, selbst entscheiden zu dürfen, wann die Preise runter gehen, da man so mitunter auf Ferientermine Rücksicht nehmen könne. Manfred Keller scheint der letzte SSV-Veteran der Innenstadt zu sein, lädt in seinem City Modehaus am Marktplatz ein Schild wortwörtlich zum sommerlichen Schlussverkauf. „Mittlerweile jagt ein Sonderverkauf den nächsten“, prangert der Dattelner an. Er reduziere nur zweimal im Jahr und zwar zum Saisonende, wenn Platz für neue Ware von Nöten ist. An die ehemals gesetzlich festgesetzten Termine halte er sich dabei aber auch nicht mehr.

Anke Hollender (45) möchte im Lager Platz für neue Ware schaffen. Foto: Mathias Schumacher
Anke Hollender (45) möchte im Lager Platz für neue Ware schaffen. Foto: Mathias Schumacher © WAZ FotoPool

„Durch Zufall haben wir heute im Radio gehört, dass heute Sommerschlussverkauf ist. Deshalb sind wir aber nicht hier“, versichert Karl-Heinz Koch trotz Einkaufstüte in den Händen. „Früher sind die Leute Angeboten hinterher gerannt, jetzt gibt es sie ja das ganze Jahr“, fügt Gattin Margarete Koch hinzu. - Sich auch im Frühjahr und Herbst über den ein oder anderen gesparten Euro freuen oder gemäßigter Wahnsinn über das ganze Jahr? Aktenzeichen ungelöst.