Recklinghausen. .

Der Sekt steht griffbereit auf den Tischchen, alle Blicke sind gebannt auf das Fernsehgerät gerichtet, es ist mucksmäuschenstill. Niemand möchte auch nur eine Sekunde der Übertragung verpassen – Szenen vom „Public Viewing“ der Fürstenhochzeit im Haus Reginalda. Gänsehautstimmung, als wären die Senioren live im Fürstenpalast mit von der Partie.

In dem Seniorenwohnheim der Caritas steht am Samstag ein ganz besonderer Höhepunkt auf dem Programm: Gemeinsam schauen sie die Übertragung der Trauung von Fürst Albert II. von Monaco und seiner Braut Charlene. Die Mitarbeiter haben sich kräftig ins Zeug gelegt. Das „Wohnzimmer“, ein Gemeinschaftsraum des Hauses, ist fürstlich herausgeputzt. Rennautos, Casino-Chips und Fähnchen in den Nationalfarben Monacos sorgen für Monte-Carlo-Atmosphäre mitten in Recklinghausen-Süd. Und natürlich darf auch die Romantik an solch einem Tag nicht zu kurz kommen: Herzchen-Girlanden mit den Fotos des Brautpaares schmücken den Raum. Einige der rund 20 Zuschauer, darunter auch zwei Männer, haben sich für den Anlass feierlich herausgeputzt und tragen sogar kleine Krönchen.

Auf einen Moment freuen sich alle Versammelten besonders: den, in dem sie die Braut erblicken. Ein Raunen geht durchs „Hochzeitskino“, als Charlene eingeblendet wird. „Sie trägt ein Armani-Kleid mit einer 20 Meter langen Schleppe“, berichtet der Fernsehkommentator. „Ich hatte damals einen acht Meter langen Schleier“, erinnert sich eine die stolze Bewohnerin.

Die Gedanken gehen auf eine Reise in vergangene Zeiten, Erinnerungen werden wach an die eigene Trauung, an die Hochzeit von Kindern und Enkelkindern. Und genau darum geht es bei der Aktion „Wir sind mit dabei! Royale Hochzeit im Reginalda“. Einrichtungsleiterin Christel Zynga: „Wir möchten Erinnerungen zurückholen. Viele der Frauen sitzen schon seit einigen Stunden hier und verfolgen alles ganz genau“, erklärt sie und reicht einer Bewohnerin einen „Kir Royal.“

Niemand möchte auch nur eine Szene verpassen, und den Zuschauern entgeht nichts: weder die Tränen, die die jüngste Schwester des Bräutigams vergießt, noch den zarten Kuss, den sich das Brautpaar vor den Augen der Welt gibt. „Küsst euch doch noch mal!“, wünscht sich Christel Zynga. „Das machen die ganz bestimmt, da sind wir aber nicht dabei“, sagt eine ältere Dame im Rollstuhl, die genüsslich einen Sekt schlürft. Der ganze Saal lacht. Und dann gibt sie dem Bräutigam, der jahrzehntelang als Playboy galt, einen wichtigen Rat mit auf den Eheweg. Nach Alberts Treueschwur ruft sie: „Dann halt dich auch dran!“

Aber nicht alles wird als fabelhaft begutachtet: Eine Dame findet den Brautstrauß „viel zu mickrig“, ein Herr beschwert sich über das lichte Haupthaar des 53-jährigen Adeligen. „Gut, dass er jetzt eine Mütze aufsetzt, da sieht man zum Glück seine Glatze nicht mehr . . .“

Als das Jubelpaar aus dem Palast auszieht, beginnen die Senioren zu klatschen. Die Einrichtungsleiterin erhebt das Glas und alle lassen Charlene und Albert hochleben. „Das war wirklich ein wunderschöner Nachmittag und die Braut sah fantastisch aus“, bringt es Elisabeth Pietrowski (85) auf den Punkt und spricht damit sicherlich allen Bewohnern aus der Seele.