Datteln/Waltrop. .
Es ist gut ein Jahr her, als im Landtagswahlkampf die Fronten in der lokalen Energiepolitik klar fixiert waren und die Grünen ihr Wahlprogramm rund um Kraftwerksneubauten präsentierten. „Neue Kohlekraftwerke blockieren den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir Grünen sind die Garanten dafür, diese CO2-Schleudern zu verhindern“, stand es schwarz aus weiß. Doch heute fragen sich die grüne Basis und Kraftwerksgegner, was die Grünen im Landtag für das Ende des Kohlenkraftwerkes tun.
Der große Saal des Gasthauses in Meckinghoven ist schon eine viertel Stunde vor Beginn der Veranstaltung komplett gefüllt. Wer dazu stößt, wird im Eingangsbereich gebeten, Stühle mitzubringen, um jede Freifläche bis hin zum Rednerpult zu nutzen. Rund die Hälfte der Interessierten kommt aus Datteln, die andere Hälfte aus Waltrop. Erfreut ist die Interessengemeinschaft (IG) Meistersiedlung, dass auch „Besuch von der anderen Seite des Kanals“ gekommen ist, wie IG-Aktivist Rainer Köster einen Verantwortlichen des Eon-Konzerns bezeichnet, der zugegen ist. Gespannt sind die Besucher, darunter zahlreiche Bündnisgrüne, was Landesfraktionsvorsitzender Reiner Priggen sowie die Grünen-Chefin im Regionalverband Ruhr (RVR), Sabine von der Beck, und der Verwaltungsexperte Martin Tönnies zu sagen haben. Priggen legt los, spricht Themen an, die den Kraftwerksgegner im Schatten des Kühlturm untern den Nägeln brennen: „Wir haben ein Problemkraftwerk – und das ist in Datteln“, sagt er und beteuert, ihm wäre es lieber, es hätte dieses Kraftwerk nie gegeben. Doch müsse man Eon ein „alltägliches Verfahren“ bieten, um durch die Verwaltung eine nachträgliche Genehmigung des Standortes am Kanal prüfen zu lassen.
Für Köster ist Priggens Aussage eine 180-Grad-Kehrtwende, forderte der Grüne doch vor der Landtagswahl, das Kraftwerk müsse abgerissen werden. Er habe dies sogar werbewirksam mit einer Laser-Show auf den Kühlturm getan. Nun spreche dieselbe Person von einem neuen Genehmigungsverfahren.
Martin Tönnies – er arbeitet beim RVR an der Genehmigung von Datteln 4 – verspricht, dass es ein transparentes und ergebnisoffenes Verfahren geben wird. „Für die Regionalplanungsbehörde ist es eine Planung auf der grünen Wiese“, sagt er und löst damit ungewollt Lachen und Spott im Saal aus, denn glauben will die Aussage scheinbar keiner.
Möglicherweise aus diesem Grund: Das Kment-Gutachten, mit dem Kraftwerksbetreiber und der RVR eine Änderung des Regionalplans legitimieren wollen, um so die Fertigstellung von Datteln 4 zu ermöglichen, wurde nicht vom RVR selbst in Auftrag gegeben. Sabine von der Beck: „Eon hat die Fragen bekommen, die der Gutachter beantworten sollte. Und Eon hat mit dem Gutachter verhandelt.“ Wie das Gutachten zustande gekommen ist, das wissen offenbar noch nicht einmal alle RVR-Parlamentarier. Was an diesem Montag bei der RVR-Verbandsversammlung nachgeholt werden soll. Ob dies aber Anlass sein wird, gegen das Kraftwerk zu stimmen? Dazu äußern sich Priggen und von der Beck nicht.
Waltrops Grünen-Vordenker, Professor Lars Holtkamp, unterstützte derweil die Kraftwerksgegner und forderte von seiner Partei: „Löst euer Wahlversprechen endlich ein und lasst diese Ausreden sein.“