Recklinghausen. 6000 Fans auf dem grünen Hügel danken Nena mit Wunderkerzen für ein wunderschönes Konzert

Um 20 Uhr wedeln die ersten mit gelben Luftballons, um 20.10 Uhr kommt Nena auf die Bühne. Pünktlich. Ein Kotau vor dem Alter, schließlich machen die Bandscheiben stundenlanges Stehen nicht mehr mit. So denken wohl viele im Publikum auf dem Grünen Hügel. 90 Prozent sind in Nenas Alter, kommen in Burberry Jacke und mit Perlenkette, einige bringen die Kinder mit. Damals waren sie jung und Nena war das Idol ihrer Generation. Mit ihrem Hit „99 Luftballons“ formulierte sie mitreißend und lautstark die Ziele der Friedensbewegung der 1980er.

Jetzt ist Nena 51 und Großmutter (die zu späterer Stunde einen Kurzauftritt mit dem Schnuller-Enkelkind hat). Aber von wegen Revival-Konzert und Rückenprobleme. In Glitzer-T-Shirt, Lederjacke und knallenger Jeans rockt und fetzt sie über die Bühne, dass man ungläubig schaut: Sie präsentiert 30 Jahre Musikgeschichte, die Band spielt geradezu mit verschiedenen Musik-Genres. Dabei wird deutlich, dass Nena nie wirklich aus der Musikszene weg war, dass auch ihre neuen Lieder Beachtung verdienen. Auch das ein Unterschied zu vielen Revival-Touren, mit denen Veteranen-Bands immer noch über die Bühnen tingeln.

Schon bald dürfen die Fans zu „Willst du mit mir gehen“ und „Heut’ komm ich heut’ geh ich auch“ johlen. Die Band legt einen Disco-Beat mit Headbangen hin, spielt „Tipp top Strubbelkopp“ von den Ärzten (bei dem Nena den Einsatz verpasst) und gleitet über in die melodische Ballade „Liebe ist“. Begeisterte Fans recken ihre Arme hoch, grölen den bekannten Refrain mit und der Grüne Hügel hört die schönste Liebeserklärung, die es je für die Stadt gab: „Liebe ist … Recklinghausen“. Ihren größten Hit „99 Luftballons“, den sie bestimmt schon tausendfach gesungen hat, beschließt sie mit Variationen des Beatles-Hit „Hey Jude“. Dazu schickt sie zwei riesengroße Luftballons in Schwarz und Weiß, die mit den Lettern „Love“ bedruckt sind, ins Publikum. Fans aus Amsterdam halten ihr Banner hoch und Lena fragt ungläubig: „Kommt ihr aus Holland?“ Gegen die Sorge, dass „die flotteste Großmutter der Republik“ (so nannte sie einst die Süddeutsche) abwandern könnte, hält die gebürtige Hagenerin ein Mittel parat: „Hier bin ich geboren, hier ist mein Zuhause / Hier sind meine Leute, hier gehör ich hin“.

Nach anderthalb Stunden die Zugabe mit einem ihrer großen Hits „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“, das Duett „Ganz viel Zeit“ mit Sohn Saskias an der Gitarre und die fast nachdenkliche Ballade „In meinem Leben“. Es ist der Querschnitt ihres Lebens. Zuschauer halten Wunderkerzen hoch, lauschen fast andächtig mit. Dank für ein wunderschönes, entspannendes Konzert.