Marl. Der Rat diskutiert darüber, ob der Luise-Rinser-Weg umbenannt werden muss.

Drei Wege, acht Straßen, ein Hof: Öfter ist die deutsche Schriftstellerin Luise Rinser (1911 bis 2002) nicht mit öffentlichen Räumen gewürdigt. Wie lange wird noch ein Weg in Marl nach ihr benannt sein? Der Rat zeigte sich verunsichert, wie er mit dem Antrag der Bürgerliste „Wir für Marl“ umgehen soll, einen Ratsbeschluss aus dem Jahre 2006 wieder aufzuheben.

Lebenslang galt Luise Rinser als Kämpferin gegen die Nazis und als moralisches Gewissen. Sie wurde mit Auszeichnungen überhäuft und 1984 von den Grünen als Gegenkandidatin zu Friedrich von Weizsäcker als Bundespräsident aufgestellt.

Vor zwei Monaten erschien eine umfangreiche Biografie mit dem Ergebnis: Luise Rinser sei „in der Zeit des Nationalsozialismus wohl doch nicht so zweifelsfrei gut und gerecht (gewesen), wie sie es selbst in der Rolle der unbescholtenen Vorzeige-Deutschen stets behauptet hat“.

Luise Rinser oder Berta von Suttner, diese Auswahl hatten Marls Politiker 2006 zur Benennung einer neuen Stichstraße in Hüls. Sie nahmen Rinser. Soll das jetzt rückgängig gemacht werden?

Johannes Westermann (WG Grüne) stimmte zu: Es sei nicht zeitgerecht, eine Straße nach dieser Frau zu benennen. Karl-Heinz Dargel (CDU) schlug vor, die Anlieger (zehn Familien) zu befragen, so wie man es schon mal am Volkspark gemacht hatte. Dr. Friedrich Heinrich (BUM) verwies auf Schriftsteller Günter Grass, der vor seiner Karriere dem Nationalsozialismus positiv gegenüber gestanden habe. Dem hielt Siegfried Schönfeld (fraktionslos) entgegen, Grass habe sich aber, wie andere, später kritisch zur eigenen Einstellung geäußert.

Robert Heinze (FDP) wollte den Namen behalten, „das ist ein Stück unserer Geschichte“. Peter Wenzel (SPD) sagte, man könne die Situation nicht abschließend bewerten und tue sich daher schwer, den Straßennamen wieder zu ändern, solle die Anwohner befragen. In der Tat sollen nun erst einmal die Bürger beteiligt werden, beschloss der Rat.

Der hatte das Problem der Vergangenheits-Bewältigung nicht zum ersten Mal. Vor einigen Jahren stellten die Grünen den Antrag, die Carl-Duisberg-Straße umzubenennen, weil der Namensgeber an der Entwicklung von Giftgas beteiligt war, mit dem Juden umgebracht wurden. Chemiker hielten dem die großartige wissenschaftliche Arbeit Duisbergs entgegen. Die Diskussion wurde in einen VHS-Arbeitskreis verlegt – und verebbte dort.