Recklinghausen. .

Die Fenster blick- und luftdicht schwarz verklebt, die Türen geschlossen, die Scheinwerfer strahlten von zwei Baugerüsten im Ratssaal: Frank Hoffmann gab seine erste eigene Inszenierung dieser 65. Ruhrfestspiele im Treibhaus.

Die stickige, fast erstickende Schwüle des Premierenabends im Rathaus hätte sich Albert Ostermaier in den „Aufstand“ -Text schreiben können. Sie passte zum „Lagerkoller“ der Fünf, die im Ratssaal Revolution spielten und doch nur in ständig wechselnden Koalitionen gegeneinander agitierten. Es war ein Kraftakt – nicht nur angesichts des Raumklimas. Mit enormer, für keinen Moment nachlassender physischer Präsenz schaffte sich die Truppe in das Drama nach Motiven aus Schillers „Räubern“ und dem anarchistischem Pamphlet „Der kommende Aufstand“.

Ein politisches Stück schrieb Ostermaiers deshalb längst nicht – da sind „Don Carlos“ oder „Maria Stuart“ politischer, analytischer. Wenn’s ans Zitieren der anonymen Autoren des „Unsichtbaren Komitees“ geht, dann kippt die Nahkampf-Tragödie mit Verve ins komische Fach. Wolfram Koch als Charles (Schillers Karl Moor) kämpft sich hinter alberner Strumpfmaske ge­konnt stockend durch die – gar nicht so schlimmen – politischen Parolen. Oder die ganze Gruppe läuft im engen Geviert vor den beiden Zuschauerreihen entlang der getäfelten Ratssaalwände und bölkt stumpf Slogans.

Das mit hohem Pulsschlag getaktete Pendeln zwischen Tragödie und knalliger Farce gleicht weniger Schiller als vielmehr Brendan Behans 50 Jahre altem IRA-Drama „Die Geisel“. Antibürgerlichen Habitus und bourgeoise Träume karikierte am muntersten die Restaurant-Szene mit Charles und April beim Tete a Tete: „Die Revolution kann nicht warten. Ich geh auf die Toilette und du kommst nach.“

Das sexuelle Innuendo war ein Dauerton dieser kraftstrotzenden (und -zehrenden) In­szenierung und Jacqueline Macaulays derbes englisch-französisch-deutsches Esperanto ein besonderes Kabinettstückchen. Aber diese besonderen Momente gaben Ostermaier und Hoffmann jedem ihrer großartigen Revoluzzer.

Luc Feit als Carlos (oder Franz Moor, die „Kanaille“) war das dunkle Spiegelbild des charismatischen Charles. Steve Karier als Mirror, die „Fresse“: die blanke Bedrohung. Und Udo Wachtveitl erhöhte als Verräter Trotzki, als wäre er ein Schiffsheizer unter Deck, präzise den Druck im gruppendynamischen Dampfkessel.

Nur Anne Moll und Ulrich Kuhlmann als Ermittler, die „ein Stück Literatur“ zur Staatsgefährdung aufpumpen mussten, hatten gegen diese fünf „Räuber“ einen schweren Stand: zu manieriert gerieten der Profiler als perverser Columbo und die Staatsanwältin als Femme fatale.

Im Verlauf des zweistündigen Powerplay verwandelt sich der „Aufstand“ ohnehin in ein nahezu klassisches Familiendrama – und in den Fiebertraum eines sterbenden Helden. Wäre nicht auch das Publikum ziemlich erschöpft gewesen – der Applaus hätte noch stürmischer sein dürfen.