Recklinghausen/Vest. .

400 Achtklässler haben an der Präventionswoche gegen Alkoholmissbrauch im Jugendtreff an der Auguststraße teilgenommen.

Einen zum locker werden, einen zum locker bleiben, zwei drei Runden mitgetrunken, ist ja gerade so witzig, einen noch, bevor es nach Hause geht – und dann geht’s doch noch nicht nach Hause und plötzlich geht gar nichts mehr. 14,5 Jahre alt sind Deutschlands Jugendliche im Schnitt, wenn sie zum ersten Mal Alkohol trinken, 15,9 Jahre beim ersten Absturz. Grenzen, Regeln und Verbote sind für Pubertierende mehr Provokation als Richtlinie.

Mit der Politik des erhobenen Zeigefingers will Petra Heinig vom Fachbereich Kinder, Jugend und Familie deshalb nicht arbeiten. Weil es schlicht zum Scheitern verurteilt wäre: „Es bringt nichts, sich hinzustellen und den Jugendlichen zu erklären, dass Alkohol die Leber schädigt und Gehirnzellen tötet. Das wissen die selber“, erklärt die zuständige Frau für Präventiven Jugendschutz. „Genauso wenig geht es darum, einfach zu sagen, dass sie gar nicht trinken sollen. Wir wollen vielmehr sensibilisieren, für die eigenen Grenzen, vor allem aber für Gefahrenmomente.“

Über Sorgen, Ängste und Nöte sprechen

Die kleinen und großen Katastrophen: Handy verloren, Bus verpasst, geprügelt, geknutscht, gekotzt, im Krankenhaus gelandet. In aller Ausführlichkeit erfahren die Teilnehmer der Alkoholpräventionswoche im Kinder- und Jugendtreff an der Auguststraße, was passiert, wenn der Magen ausgepumpt werden muss. Eine verdreckte Kloschüssel, ein Krankenbett, ein Rollstuhl, ein Sarg dienen der Anschaulichkeit. Und immer wieder setzen sich die Experten mit den jugendlichen Teilnehmern zusammen, diskutieren das Erlebte: „Wir wollen den Jugendlichen eine Möglichkeit geben, über ihre Sorgen, Ängste und Nöte zu sprechen und so auch eine andere Konfliktstrategie aufzeigen. Eine, die eben nicht so aussieht, dass man sich über den Alkohol dämpft und seine Probleme zu verdrängen versucht“, erklärt Petra Heinig.

Ursachen sind vielfältig

Nach wie vor sind die Ursachen für jugendlichen Alkoholkonsum vielfältig. Die Werbung etwa vermittelt ein Bild grenzenloser Freiheit und Geselligkeit: Wer hier trinkt, ist stark, schön, beliebt und damit im Zweifelsfall alles, was ein Jugendlicher in den finsteren Tiefen der Pubertät gerne wäre. Einzig ein Verbot, wie es für Tabakwerbung bereits gilt, könnte diesen medialen Reizen den Riegel vorschieben. „Zudem ist der Konsum von Alkohol gesellschaftlich akzeptiert. Wir trinken unser Feierabendbierchen, unseren Sekt zu Silvester oder wenn es sonst was zu feiern gibt. Alkohol gehört dazu“, sagt Petra Heinig, die nicht Abstinenz predigt, sondern Verantwortung. Auch auf Seiten der Eltern. „Ich finde es wichtig, im Beisein der Kinder nicht übermäßig zu trinken. Vor allem aber sollte das Elternhaus ein Raum sein, wo über Probleme gesprochen werden kann.“ Entscheidend ist laut Expertin die Clique: Sie habe „wahnsinnig großen Einfluss“. Ist der Vollrausch hier verpönt, greift auch der Einzelne kaum zur Flasche.

Gerade kurz vor Karneval hofft die Expertin mit verstärkten Präventionsmaßnahmen die Jugendlichen vor dem Totalabsturz zu bewahren. „Rosenmontag ist es natürlich immer besonders extrem“, erzählt Petra Heinig, die alljährlich zum närrischen Hochfest in der Notaufnahme im Paulushaus hilft. 1,3 bis 1,8 Promille hat manch junger Mensch, der hier landet: „In den letzten zwei Jahren waren die Zahlen stark rückläufig. Gott sei Dank.“