Recklinghausen. .

Tobias Foskett dirigierte das 6. Sinfoniekonzert der Neuen Philharmonie Westfalen als schwungvolle „Americana“.

Das Programm war ganz auf Alondra de la Parra, die erkrankte Dirigentin aus Mexiko, zugeschnitten. Umso erstaunlicher war’s, wie sich der eiligst engagierte Tobias Foskett mit der Neuen Philharmonie Westfalen die lateinamerikanischen Werke des 6. Sinfoniekonzertes aneignete.

Vertrautes Element des Abo-Programms im Festspielhaus war wohl nur Gershwins „An American in Paris“. Die Namen Gomes, Ginastera und Marquez dagegen boten noch echte Entdeckungen. Das Programmheft zitierte natürlich Verdis hohes Lob für Antonio Carlos Gomes’ Oper „Il Guarani“. Die Ouvertüre des Brasilianers glänzte denn auch mit italienischem Temperament. Eine Freude gleich der Rossinis an nimmersatten Crescendi war unüberhörbar.

Der argentinische Komponist Alberto Ginastera war zwar ein Lehrer des Tango-Erneuerers Astor Piazolla – doch sein im Festspielhaus vorgestelltes Harfenkonzert klang ganz anders: Es eröffnete expressiv mit Stakkato-Rhythmik wie aus den wilden Jahren Strawinskys – und mit einem Harfenklang, der keinen Moment süßlich wirkte.

Jana Bouskova ist als Solistin mit der Moderne bestens vertraut. Bisher 15 neue Harfen-Kompositionen sind ihr gewidmet. Ihre Einsätze in Ginasteras Opus 25 waren geprägt von machtvoller Rhythmik und einer effektvoll nuancierten Dynamik.

Jana Bouskovas bestimmende Beiträge in diesem anspruchsvollen Werk wurden zu einem gefeierten Schaukästchen ungeahnter Effekte des Harfenspiels. Ein Fest für die vier Schlagwerker war dieses Konzert obendrein.

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Der jüngste der vier Komponisten, der heute 60-jährige Mexikaner Arturo Marquez, sorgte für den „konservativsten“ Beitrag: Sein orchestraler „Danzon No. 2“ folgte exakt den Konventionen der kubanischen Tanz-Orchester. Das kleine Werk klang in der Tat wie „Buena Vista“ mit üppiger Streicher-Ausstattung. Es fehlte nur Ibrahim Ferrer, um mit Schmelz in der Stimme einen blumig-anzüglichen Gesangstext beizutragen.

Swing mit Feingefühl war dann auch für George Gershwins „Amerikaner in Paris“ gefragt – bis hin zum Takt der Autohupen. Die inzwischen 82 Jahre alte Sinfonische Dichtung klingt, jedenfalls derart spritzig dirigiert, nach wie vor taufrisch. Sicher auch, weil Gershwin sein freundliches Bild von der „Stadt des Lichts“ mit ganz und gar amerikanischem Pinsel malte: mit Großstadt-Frechheit und einiger knalligen Kavalkade melodischer Einfälle.

Ein mit froschtief quakendem Blech eingeleiteter Blues war jener zweifelnde Moment, in dem der Kritiker Werner Burkhardt einst Gershwins „Fremdheit gegenüber soviel Geschichte und Abendland“ erkannte. Tobias Foskett jedenfalls fremdelte nicht: Er hatte sich dieses hinreißende Programm mit freundlicher Vehemenz zu eigen gemacht.