Marl. . Die Kunst Sándor Szombatis im Skulpturenmuseum Glaskasten besitzt magnetische Anziehungskraft

Der Künstler und Musiker „hatte immer Magnete in der Tasche“, weiß Karl-Heinz Brosthaus, „und am Revers eine kleine Stahlkugel“. Sándor Szombati hatte eben nicht nur delikaten Kunstverstand und Fingerspitzengefühl für verblüffende Phänomene der Physik – sondern auch Humor.

Das Skulpturenmuseum Glaskasten und sein Direktor präsentieren eine Retrospektive des mit 55 Jahren früh Verstorbenen, die – auf den ersten Blick grazil – auf den zweiten und dritten Blick verzaubert. Da schweben Kugeln auf der Spitze nadelfeiner Metallstäbe, scheint ein ganzer Pappkarton voll Nägel zu Boden zu fließen – und bleibt genau in diesem höchst labilen „Schwebe“-Zustand.

„Nichts ist geklebt“, betont Dr. Brosthaus. Dabei ziert ausgerechnet ein Fläschchen Konstruktions-Klebstoff den Titel der 30-seitigen Katalog-Broschüre. Sándor Szombati hatte eben Humor – und in seinem vollgestellten Atelier in Duisburg-Rheinhausen einen Stahlschrank voller Permanent-Magnete.

„Er nannte alle seine Arbeiten kinetische Skulpturen“, so Dr. Brosthaus. Kunst in Bewegung? Die Bewegung ist allein dank der – anziehenden oder abstoßenden – Kraft der Magneten angehalten. So wirkt die kleine Installation mit dem Titel „morbid ground“ wie eine Varieté-Nummer: Über dem zerfurchten Relief aus vier Magneten schwebt ein feines Aluminiumrohr am kaum sichtbaren Draht.

Das Spiel mit der Schwerkraft, erinnert sich der Museums-Chef, beherrschte der 2006 verstorbene Sándor Szombati mit intuitiver Sicherheit. „Er hatte eine wahnsinnige Erfahrung.“ Dem Team des Skulpturenmuseums allerdings bereitete es einige Mühe, die Installationen des Exil-Ungarn genau so in der Schwebe zu halten, wie er es – am Beispiel von Fotos – vorgemacht hatte. „Sándor hätte breit gelacht“, meint Karl-Heinz Brosthaus, „wenn er uns gesehen hätte, wie wir hier mit einigen Arbeiten herum hampelten.“ Seinem Prinzip, nur keine Elektromagnete, blieb Sándor Szombati treu – und schuf doch ein sinnliches Spiel aus vielen Variationen.

Es reicht von „Psycho“, einem gewichtigen Bündel aus Stahlwolle in heikler Balance zwischen Halt und Herabfallen, bis zum „Dino“-Skelett. Urzeitlich zurecht gebogen aus kleinen Moniereisen sorgt der magnetische Kopf des Mini-Sauriers für einen zirkusreifen Handstand.

Zur Demonstration reicht Stephan Wolters vom Museumsteam zwei fingernagelkleine Magnete: kaum zu greifen – und nur mit Geduld auseinander zu bekommen. „Er hat das Material wirklich studiert“, sagt Dr. Brosthaus, der dem damals 48-jährigen Sándor Szombati 1999 die erste Einzelausstellung im „Glaskasten“ ausgerichtet hatte. Seine Freude am schwebenden Metall erklärte der Künstler selbst, der in den 1970er Jahren als studierter Musiker und Erbauer von Klang-Objekten angefangen hatte, als „ein Spiel mit Sein und Nichtsein“.

Dr. Brosthaus blickt freudig und etwas bange auf die Retrospektive: Der Hauch eines wehenden Mantels könnte bereits die Balance mit metallischem „Klack“ kippen lassen. Lassen Sie also möglichst den Mantel in der Garderobe.