Recklinghausen. Nach den schrägen Vögeln aus Finnland beendete ein Weltstar aus Deutschland die Festspiele. Vor rund tausend Zuhörern las Otto Sander , bekannt als „Die Stimme", aus Knut Hamsuns „Auf überwachsenen Pfaden". Mit dem 67-Jährigen sprach WAZ-Redakteurin Elisabeth Höving.
Warum ausgerechnet dieses heikle Buch über Hamsun und die Nazi-Zeit?
Sander: Ein Vorschlag der Ruhrfestspiele. Ich hab dann mal in das Buch geschaut. Der Erzähler erinnerte mich an meinen Vater, der Berufsoffizier unter Hitler war. Kein Nazi, aber das Thema Mitläufertum interessierte mich schon. Außerdem schwärmte mein Vater immer von Hamsun.
Haben Sie denn Verständnis für ihn, dem man Kollaboration mit den Nationalsozialisten vorwarf?
Dafür kenne ich die Texte zuwenig, die er in der Zeit veröffentlicht hat. Aber Mitgefühl für einen Erzähler, das ist beim Vorlesen schon wichtig, sonst kann man die Texte nicht gut vortragen.
Während der Lesung brach eine ungehemmte Hustenepidemie im Festspielhaus aus. Nervig?
Als Macher auf der Bühne stört einen das schon. Leider gibt es im Theater keine Disziplin mehr. Die Leute husten so, als säßen sie allein vor dem Fernseher. Aber solange niemand schnarcht . . .
Sie waren schon oft in Recklinghausen. Gerne wieder da?
Ja, das bin ich. Ich mag die Atmosphäre hier und die Geschichte des Festivals. Ich war schon in den Anfangsjahren hier, als ich ein Engagement am Düsseldorfer Schauspielhaus hatte. Damals habe ich mir gesagt: Auf dieser Bühne will ich auch mal stehen.
Gehen Sie nun mit Hamsun auf Lese-Tour?
Nein, das war ein Projekt nur für Recklinghausen. Mein Stiefsohn Ben Becker war ja auch hier, der fand's auch toll. Und frozzelte, er habe Standing Ovations bekommen, das müsse ich erst mal schaffen.
Haben Sie ja! Tauschen Sie sich viel mit Becker aus?
Ja, aber wir konkurrieren nicht. Ben wird jetzt im Salzburger „Jedermann" den Tod spielen. Der war ich auch ein paar Mal und Ben hat gesagt: Da hast du die Latte aber sehr hoch gelegt. Ich als Tod! Dabei sterben zurzeit gerade so viele von uns, Monica Bleibtreu, Barbara Rudnick, Jürgen Gosch. Aber mir geht es gesundheitlich wieder gut, muss nur wieder zur Nachsorge (und klopft auf den Holztisch).
Und die nächsten Projekte?
Viele Lesungen, bis Dezember bin ich ausgebucht. Aber ich mache kein Film und Fernsehen, ich weiß auch nicht, warum.