Recklinghausen.

Für 701 Euro wird die examinierte Altenpflegerin auf dem Recklinghäuser Altstadtmarkt verkauft, regelrecht verramscht. Zentraler Streikpunkt war am Dienstag Recklinghausen.

Hausmeister, Hauswirtschaftler, Erzieherinnen und Pflegehelferinnen hat der Peitsche schwingende Sklavenhändler Detlev Beyer-Peters noch im Angebot. Nachschub sei kein Problem, der Markt sei voll von Arbeitsuchenden, die gerne und viel für wenig Geld arbeiten, wettert er. Die streikenden Awo-Beschäftigten fühlen sich verstanden und feuern ihren Konzernbetriebsratsvorsitzenden an.

Während die Polizei rund 700 Teilnehmer schätzt, spricht Gewerkschaftssekretärin Vera Foullong-Marquardt vom Verdi Bezirk Emscher-Lippe-Nord von über 1000 Awo-Mitarbeitern aus sieben Bezirken, die an diesem wolkenverhagenen Tag in der Festspielstadt für bessere Arbeitsbedingungen und eine Lohnerhöhung um 4,5 Prozent kämpfen. 140 von ihnen kommen aus dem Kreis Recklinghausen. Damit sie teilnehmen können, werden in Herten drei Kindertagesstätten und in Marl eine geschlossen. In anderen Einrichtungen werden Notdienste gefahren.

Vom Rathaus zieht der Protestzug über den Kaiserwall auf den Altstadtmarkt. „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Kohle klaut“, skandieren die Demonstranten, die auch aus Bochum, Dortmund, Essen, Hamm, Unna, dem Münsterland und dem Nachbarbezirk Emscher-Lippe-Süd gekommen sind. Zu überhören sind sie nicht, mit Trillerpfeifen und Rasseln machten sie ihrem Frust Luft.

„Mich wurmt die Leiharbeitsfirma am meisten und dadurch das ständig wechselnde Personal. Zum Teil sind die Kollegen nur zwei bis drei Tage im Einsatz. Das ist für demente Patienten nichts, die brauchen eine Bezugsperson“, klagt Altenpflegerin Heike Packert vom Ida-Noll-Seniorenzentrum in Datteln. Hinzu komme, dass die Kollegen, die bei der hauseigenen Tochter Awo Service GmbH angestellt seien, die selbe Arbeit verrichten, dafür aber bis zu 17 Prozent weniger Lohn bekämen, ergänzt die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende des Kreisverbandes Essen, Martina Willmanns: „Wo Wohlfahrt drauf steht, sollte auch Wohlfahrt drin sein.“

Beim Thema Leiharbeit komme Bewegung ins Spiel, verkündet kurz darauf Verdi-Verhandlungsführer Wolfgang Cremer auf dem Altstadtmarkt. Aus einer aktuellen Pressemitteilung zitiert er den Awo Bundesvorsitzenden Wolfgang Stadler, der sich gegen „eine systematische Anwendung von Leiharbeit“ ausspricht und dass ein „zurückhaltender und verantwortungsvoller Einsatz intendiert war und ist“. Ungläubig schütteln viele Anwesenden die Köpfe. Gewerkschafter Cremer feuert weiter seine Salven ab, fordert die sofortige Anhebung des Lohnniveaus und die Abschaffung der hauseigenen Leiharbeitsfirma.