Recklinghausen.

Jugendrotkreuzleiter Niemczyk geht einen mutigen Schritt. Er leitet ein Gruppe für homosexuelle Jugendliche im DRK-Kreisverband Recklinghausen. „JRK goes queer“ nennt sich diese Gruppe.

„Irgendwann, früher oder später, merkt man, dass man irgendwie anders ist.“ Der Jugendrotkreuzleiter sitzt nachdenklich am Tisch in den Räumlichen des DRK-Kreisverbandes Recklinghausen.

Es ist ein mutiger Schritt, den Martin Niemczyk (28) zusammen mit seinen Gruppenleitern gehen wird: Ein Schritt, der auf Widerstand stoßen und einiges an Bedenken mit sich bringen wird. Und doch ist es ein Schritt, der notwendig ist in der heutigen Gesellschaft.

Seit Herbst 2009 gibt es im Jugendrotkreuz (JRK) offiziell eine Gruppe für homosexuelle Jugendliche im Alter von 16 bis 21 Jahren. „JRK goes queer“, so nennen sie sich. Niemczyk leitet die Gruppe, besuchte Fortbildungen, steht in Kontakt mit der Aidshilfe. Bisher ist die Resonanz gering, die Hemmschwellen seien vermutlich noch zu groß. Obwohl Niemczyk einen wachsenden Bedarf sieht.

Eine Anlaufstelle

Schwul, lesbisch oder gar bi zu sein – eine Ausnahmesituation für junge Menschen. „Klar, es ist heute einfacher als noch vor zehn, zwanzig Jahren, sich zu outen, aber es ist nach wie vor eine großes gesellschaftliches Problem“, sagt Martin Niemzcyk. Ist die Abneigung gegen Homosexuelle subtiler geworden, weniger aggressiv? Niemczyk weiß: „Bevor man über die generelle gesellschaftliche Akzeptanz spricht, ist es für die Betroffenen viel wichtiger, erstmal im persönlichen Umfeld Akzeptanz zu finden.“ Freunde, Geschwister, Eltern – „Du, Mama, ich bin schwul“ – oder wie fängt man eigentlich ein solches Gespräch an? „Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich, manchmal zieht die Überrumpelungs-Taktik, manchmal muss man diplomatischer vorgehen. Aber egal was ist, wir stehen mit Rat und Tat zur Seite“

Was genau ist die Zielsetzung der ambitionierten Idee, welche in dieser Form einzigartig ist? „Das Jugendrotkreuz als Jugendverband im Deutschen Roten Kreuz steht für Vielfältigkeit. Wir wollen Anlaufstelle sein für Schwule und Lesben, raten und helfen, Kontakte vermitteln, über Probleme reden, Hilfestellung leisten bei Gesprächen mit Eltern und Freunden.“ Dass dies alles nach einer klassischen Selbsthilfegruppe klingt, stört Niemczyk. „Bei uns stehen wie in jeder anderen JRK-Gruppe auch die JRK-Themen nicht hinten an. Die Erste-Hilfe-Ausbildung gehört hier genau so dazu wie in jeder anderen Gruppe.“

Bedenkenträger

Fragt sich, wozu es dann überhaupt eine ausgewiesene Homosexuellen-Gruppe gibt. Spricht das nicht gegen die Integration? „Es ist unglaublich befreiend, mit Gleichgesinnten zu reden, die exakt diese Probleme auch schon durchgestanden haben. Desweiteren werden alle anderen Veranstaltungen, außer den einfachen Gruppenstunden, natürlich mit allen anderen JRK-Mitgliedern begangen.“

Die Stimmung in den eigenen Reihen sei fast durchweg positiv. Es gäbe die typischen Bedenkenträger, Leute, die meinen, solche „Extravaganz“ hätte nichts im Roten Kreuz zu suchen und dergleichen mehr.

Die meisten würden Niemczyk hingegen den Rücken freihalten. „Wir haben uns vieles einfacher vorgestellt. Es wird noch ein langer Weg, bis Homosexualität in der heutigen Gesellschaft als normal betrachtet werden wird, genau so ist es ein harter Weg, diese Gruppe zu etablieren und Jugendliche zu ermuntern, sich Hilfestellung zu holen.“ Aber ein Anfang ist gemacht.