Recklinghausen. .

Multiple Sklerose beeinträchtigt das Leben zwar stark, bedeutet aber noch lange nicht das Ende. Auch Monika Cornelius war zunächst, da sie über ihre MS Klarheit hatte, „sehr erschüttert“. Doch im nächsten Augenblick machte sich die Recklinghäuserin Mut.

Als es nur noch wenige Wochen waren bis zu ihrem 40. Geburtstag, fühlte sich Marie-Luise Loos, als sei ihr Leben nun bald zu Ende. Denn damals erfuhr die heute 53-Jährige: Ich habe MS, Multiple Sklerose. Auch Monika Cornelius (54) war im ersten Moment, da sie über ihre MS Klarheit hatte, „sehr erschüttert“. Doch bereits im nächsten Augenblick machte sich die Recklinghäuserin, damals gerade Anfang 30, Mut: „Komm’, noch kannst Du etwas machen.“ Noch ist das Leben nicht zu Ende . . .

Noch nicht.

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Von Sabine Kruse

Genau diese sich hartnäckig haltende Vorstellung indes ist es, die Menschen im Moment, da sie von ihrer MS erfahren, so erschüttert: dass sie mit fortschreitender Krankheitsdauer an Körperkraft und -kontrolle verlieren, bis sie irgendwann auf den Rollstuhl angewiesen sind. Auch Marie-Luise Loos glaubte das anfangs. Im Alltag fühlte sie sich plötzlich überall nur noch von Rollstühlen umgeben, „bald sitzt Du auch da drin“, dachte sie damals.

Im Wohnzimmer der Älteren in Süd sitzen die zwei Freundinnen an diesem Nachmittag, die sich kennen gelernt haben in der MS-Selbsthilfe-Gruppe, deren Leitung Monika Cornelius seit vielen Jahren innehat. In der sie früher oft redeten über ihre Erkrankung und wie sie durch den Alltag kommen können damit. Bis sie wussten: Das geht. Gut?

„Ein Gefühl, als gehe man auf Watte“

Na ja, sie werde heute „schneller als früher, mitunter schlagartig müde“, habe auch „weniger Kraft“, sagt Marie-Luise Loos. „Und mitunter habe ich auch Probleme mit dem Gleichgewicht.“ Die Agilität der Mittfünfzigerin, die nach wie vor voll berufstätig ist, mag dies gleichwohl nicht auszubremsen, sie verhält sich in bestimmten Bereichen höchstens anders. Badminton mit Freunden etwa spielt sie heute nicht mehr auf hartem Hallen-, sondern auf Sandboden, „wenn ich da hinfalle, ist das kein Problem“. Und in größeren Gruppen hält sie sich gern mal an anderen fest.

Monika Cornelius ihrerseits erzählt, seit ihrer MS-Erkrankung müsse sie „ständig zur Toilette“, erwähnt außerdem ihre Sensibilitätsstörungen in den Beinen – „ein Gefühl, als gehe man auf Watte“. Einmal, in der Anfangsphase ihrer Erkrankung, ist sie infolgedessen gestürzt, am helllichten Tage, direkt vor einem Kaufhaus. Geholfen hat ihr keiner, nur ein Passant hat gesagt, sie solle ja auch nicht schon morgens anfangen zu saufen . . .

Monika Cornelius schildert diesen Vorfall sehr nüchtern, mit einer Miene, die zu sagen scheint, als MS-Patient müsse man sich frei machen von solchen Äußerungen Unwissender. Alles, was zählt, ist der eigene Körper. „Auf ihn musst du hören. Wenn dein Körper eine Auszeit braucht, dann musst du dir sie nehmen. Sonst schleppst du dich am nächsten Tag nur so durch, hast wahnsinnige Schmerzen.“ So ähnlich wie bei einem Schub . . .

Mehrere solcher Schübe hatte Monika Cornelius in den ersten Jahren nach ihrer MS-Diagnose. Nach deren Abklingen bildeten sich die damit einhergehenden Beschwerden zumindest teilweise zurück. Mittlerweile, nachdem sie sich auf ärztliche Anordnung nahezu täglich Spritzen mit Interferon verabreicht hat, ein die Schübe herabsetzendes Medikament, scheint die Erkrankung bei ihr gestoppt. Ganz ohne Medikamente kommt auch Marie-Luise Loos nicht aus, bei der die MS bisher einen eher schleichenden, aber stetigen Verlauf zu nehmen scheint. Regelmäßig lässt sie sich im Krankenhaus mit Cortison behandeln, danach sind ihre Schmerzen einige Zeit wieder gut aushaltbar.

Wie es weitergeht? Das lässt sich nicht genau sagen, gilt MS doch als „Krankheit mit 100 Gesichtern“. Aber niemand sollte gleich das Schlimmstmögliche annehmen, erklärt Monika Cornelius, sondern so positiv wie möglich mit seiner MS umgehen. Das findet auch Marie-Luise Loos: „Im Laufe der Jahre hat meine Angst vor der Krankheit abgenommen.“

Das Leben? Ist noch längst nicht zu Ende.