Recklinghausen. .
Sieben Menschen sind innerhalb eines Jahres im Kreis an einer Überdosis gestorben. Etliche mehr sind wohl den Folgen der Drogenabhängigkeit zum Opfer gefallen. Ihnen ist der nationale Gedenktag für Drogentote gewidmet.
Ein Mann mit nacktem, tätowiertem Oberkörper stützt einen Weinenden im schwarzen T-Shirt. Irgendwo klirrt eine Bierflasche, Menschen singen traurige Melodien. In gleißendem Sonnenschein nehmen sie Abschied und erinnern sich an Frauen und Männer, die hier vor einiger Zeit noch regelmäßig zu sehen waren.
Auf die „Platte“, gleich neben dem Hauptbahnhof kamen sie. Menschen, die sich täglich mit harten Drogen wie Heroin zudröhnten. Sieben von ihnen sind allein letztes Jahr im Kreis Recklinghausen an einer Überdosis verstorben.
Der 21. Juli ist der nationale Gedenktag für Drogentote
Am nationalen Gedenktag für Drogentote, hatte am Mittwoch auch die Drogenhilfe Recklinghausen und Ostvest (DROB) eine Aktion organisiert. Mit dabei war viele Abhängige und DROB-Mitarbeiter wie Isabel Niewelt (19). Die Tochter des langjährigen Drogenberaters Franz Niewelt beendet in wenigen Tagen ihr Jahrespraktikum bei DROB. Nach der Arbeit im Streetworker-Team will sie ihr Fachabi machen und später Sozialarbeit studieren. Schon durch die Berufserfahrung ihres Vaters habe Einblicke in die Drogenszene gehabt.
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„Aber es erschreckt, wie viele junge Klienten wir momentan haben“, erzählt sie im Bus der Streetworker. Der jüngste Heroinabhängige sei 19, so alt wie sie selbst. Andere seien seit 30 Jahren in der Szene bekannt und von der Abhängigkeit gezeichnet. Dabei gebe es keine Klischee-Junkies. „Manche haben keine Wohnung und den Winter bei Minus 15 Grad am Bahnhof verbracht. Andere sind im Anzug und mit Aktenkoffer unterwegs, wieder andere leben in Familien, die von der Sucht nichts mitbekommen.“
Öffentliche Kritik an früherer Aktion
Den Gedenktag für Drogentote hatte man schon letztes Jahr auf der Recklinghäuser Platte zelebriert. Mit einem Rockkonzert. Die Resonanz der Öffentlichkeit allerdings war kritisch. „Gedenken sollte man der Drogentoten zwar, aber nicht so“, erinnert sich Isabel Niewelt. Das sei vielen zu sehr Besäufnis gewesen und der „Schandfleck“ am Bahnhof rückte zu sehr in den Blickpunkt. „Aber die Drogenszene ist da. Sie lässt sich höchstens verlagern, verschwindet aber nicht“, ist Niewelt überzeugt. Der zentrale Treffpunkt habe Vorteile. Hier erreichten die Drogenberater die Abhängigen am besten.
In diesem Sommer war die Veranstaltung auf der Platte nun stiller. Für Außenstehender vielleicht angemessener. Bernhard Lübbering, der ehemalige Pfarrer der Gastkirche, hielt eine Andacht, gemeinsam mit der evangelischen Pfarrerin Silke Niemeyer. Ein Infostand für Suchtprävention war aufgebaut. „Viele Klienten haben sich wieder eine Band gewünscht“, sagt Niewelt. Über die fehlende Musik konnte höchstens das vorhandene Essen – Gegrilltes und Suppe – hinwegtrösten.
„Manche hier sind völlig fertig, haben auch privat Gedenkfeiern organisiert“, sagt Niewelt. Betäubt von Drogen und Alkohol trauern sie. „Einige merken durchaus: Wenn ich so weitermache, wird hier auch mal mein Name aufgerufen“, sagt Niewelt mit Blick auf die Andacht. Andere seien kaum zu Emotionen fähig, für sie sei nur einer mehr weg. Oft, sagt Niewelt, sei für echte Freundschaft eben kein Platz zwischen Prostitution, Beschaffungskriminalität, Entzugserscheinungen und dem nächsten Schuss.