Nach dem Abi ist vor dem Abi-Ball, oder warum Klamotten eine Hauptrolle spielen

Vest. Abitur, Reifeprüfung, in Österreich oder Liechtenstein sagen sie sogar Matura. Egal, liebe Auslauf-Pennäler: Fertigmachen zum Endspurt. Die letzten Schulferien sind längst rum, die schriftlichen und mündlichen Abiturprüfungen ebenfalls, hier und da gibt's noch die Chance, über die "Verlängerung" an die ersehnten Noten zu kommen.

Doch der mittlere Frühling ist nicht nur die Zeit der Examen, sondern auch die der Vorfreude. Längst ist wieder Ziehung, längst nimmt der alljährliche Wahnsinn einmal mehr unaufhaltsam seinen Lauf: Die Abi-Ball-Saison, sie ist eröffnet.

Ballkleider kauft die Abiturientin von heute vorzugsweise in Holland, denn nichts könnte peinlicher sein, exakt so auszusehen wie die Freundin – oder die Konkurrentin womöglich. Haare werden streng zurückgegelt, auch die Jagd nach passenden High-Heels läuft, und ob frau nach stundenlangem Training zumindest den Walzergrundschritt drauf hat, zeigt sich spätestens vor Ort. Abi-Ball-Saison, längst hat sie begonnen.

Gerüchte, vielleicht. Wie aber sieht die Wirklichkeit aus? Was bedeutet es, sich neben Bio und Chemie mit den vermeintlichen Banalitäten eines Abschlussballes herumzuschlagen? Was es für sie bedeutet, haben Laura Fischer (19) aus Recklinghausen und Florian Huthmacher (18) aus Marl erzählt. Just, als sie sich auf den Weg machten, um den Ernstfall zu proben, und erklärten, warum denn die geballten Festlichkeiten früher wie heute richtig wichtig sind.

Kleider machen Leute, Kleider machen auch angehende Abiturientinnen: Im Vorfeld hatte Laura Fischer zahlreiche Varianten ausprobiert, etwa dieses mondäne Ballkleid von AVA's. Fotos: WAZ, Nikos Kimerlis
Kleider machen Leute, Kleider machen auch angehende Abiturientinnen: Im Vorfeld hatte Laura Fischer zahlreiche Varianten ausprobiert, etwa dieses mondäne Ballkleid von AVA's. Fotos: WAZ, Nikos Kimerlis © WAZ

Samstag ist's, halb 11 in Deutschland. Florian hat noch Ringe unter den Augen, die Haare stehen ab und auch der obligatorische Dreitagebart fehlt nicht. Auch Laura wirkt mitgenommen. Glanz und Glamour sehen anders aus. Doch Friseurmeisterin Petra Nick geht beherzt ans Werk und ist sicher: "Ach was, das kriegen wir schon hin." Zum Thema Frisur hat sie insbesondere zwei Tipps: "Frisuren richten sich bei Abi-Bällen und anderen feierlichen Anlässen immer nach der Kleidung, die man tragen will. Wenn ein Mädchen ein flippiges Kleid hat, passt der strenge Dutt am mittleren Hinterkopf einfach nicht. Bei Jungs ist es auch mal schick, ganz altmodisch die Haare zurückzugelen. Wie zu Opas Zeiten halt."

Das spielt Florian in die Karten. Auch wenn ihm der ganze Trubel beim Friseur anfänglich spanisch vorkommt: Durch seine Tätigkeiten im Orchester muss er öfter mal einen Anzug tragen und ist daher nicht besonders nervös, Fehler zu machen. "Tanzen müssen bei uns alle, das ist ein ungeschriebenes Gesetz. Einen Abi-Ball ohne richtigen Walzer kann es einfach nicht geben."

Spieglein, Spieglein: Laura Fischer (19) aus Recklinghausen lässt sich von Frisuermeisterin Petra Nick nach getaner Arbeit begutachten. Noch ein paar letzte Handgriffe und das Finish ist geschafft. Foto: WAZ, Nikos Kimerlis
Spieglein, Spieglein: Laura Fischer (19) aus Recklinghausen lässt sich von Frisuermeisterin Petra Nick nach getaner Arbeit begutachten. Noch ein paar letzte Handgriffe und das Finish ist geschafft. Foto: WAZ, Nikos Kimerlis © WAZ

Auch Laura ist (fast) sicher, dass ihr Abi-Ball keine Blamage wird. So erzählt sie, als Petra Nick ihr eine Elvistolle dreht: "Naja, ein bisschen nervös ist man schon. Normalerweise trage ich ja nie Abendkleider und Föhnfrisuren, hoffentlich sieht das nicht unbeholfen aus. Aber ich denke, das geht anderen auch so."

Neben der Frisur ist natürlich auch die Wahl des passenden Kleides, beziehungsweise des passenden Anzuges sehr wichtig. Stylingfachfrau San-dra Gronek (35) rät zu mehr Mut. "Den meisten jungen Frauen muss man erstmal erklären, dass die klassischen schwarzen und schlichten Kleider totlangweilig an ihnen aussehen." Für sie ist besonders eines wichtig: "Eine ehrliche Beratung, gerade bei Abendkleidern." Die beste Freundin, die Frau Mama und die Verkäuferin müssten oftmals ganze Arbeit leisten. Außerdem weiß die Inhaberin des Ladens: "Trotz Chucks im Alltag sollten bei einem solchen Anlass ruhig auch mal die High-Heels aus dem Schrank geholt werden."

Den Anzug seiner Wahl hat Florian zwar schon gefunden, doch trotzdem hat er noch einen wertvollen Tipp für alle Suchenden: "Bei der Größe und der Passform lässt man sich einfach beraten. Farbe und Form sind dann reine Geschmackssache. Wir haben es schon viel einfacher als die Mädels. Aber auch wenn man sonst keine Krawatten trägt: Man sollte niemals den lustigen Micky-Maus-Schlips von Papa nehmen."

Insgesamt lautet die Zusammenfassung aller Experten und der Probanden: Schick ist, was ausgefallen ist und trotzdem nicht lächerlich wirkt.

Modell „Jack Lässig”: der 18-jährige Florian Huthmacher aus Marl hat seine Wahl längst getroffen. Eine gute Wahl.
Modell „Jack Lässig”: der 18-jährige Florian Huthmacher aus Marl hat seine Wahl längst getroffen. Eine gute Wahl. © WAZ

Doch am wichtigsten ist für Florian und Laura besonders eins: Ein bisschen Abschiedsschmerz über die vergangenen 13 Jahre, das ist auf jeden Fall auch ein Bestandteil des großen Festes.

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