Marl. Fotograf Marco Stepniak aus Marl wandelt zwei alte Postwaggons der Bahn in seine Wohnung um. Bevor es mit den Umbauarbeiten losgehen konnte, gab es eine abenteuerliche Fahrt zum Endhaltepunkt.

Wenn die meisten einen Bausparvertrag abschließen, denken sie an Eigenheime in Reih und Glied, an Hobbyraum, Gäste-WC und eigenen Garten. Die beiden letzteren Dinge wird es auch in dem neuen Domizil von Marco Stepniak und Vanessa Stallbaum in Marl-Sinsen geben. Ansonsten ist ihre neue Bleibe aber eher lang denn breit und meilenweit vom Standard entfernt. Das Paar hat zwei alte Postwaggons der Bahn erstanden und baut sie um. Dort, wo früher Briefe sortiert wurden, soll bald die Küche stehen.

Abenteuerliche Fahrt

Der Transport der alten Schätzchen war abenteuerlich. Foto: Wolfgang Quickels
Der Transport der alten Schätzchen war abenteuerlich. Foto: Wolfgang Quickels © WAZ FotoPool

Allein die Fahrt von Mönchengladbach nach Sinsen, wo die Schmuckstücke zuletzt standen, war abenteuerlich. Die Bahn musste eine Genehmigung erteilen, damit die Waggons ihre letzte Fahrt unternehmen durften. Anschließend wurden sie von der Schiene auf einen großen Anhänger verladen und zum Grundstück gebracht. Jetzt stehen sie wieder auf Schienen. „Ich habe in Dorsten mal ein Jugendprojekt in alten Waggons gesehen, das hat mich beeindruckt”, erinnert sich der Fotograf.

Seitdem hat er immer wieder davon gesprochen, dass er später mal in ehemaligen Zugteilen wohnen möchte. Im Internet entdeckten der 33-Jährige und seine Freundin schließlich eine Plattform für Bahner, Sammler und Liebhaber, auf der auch mit Waggons gehandelt wurde. „Wir haben immer mal wieder überlegt, ob sich das realisieren ließe. Irgendwann hat mein Vater, der ist Bauingenieur, gezeichnet, wie es aussehen könnte”, erzählt die 27-jährige Fotografin.

Mama musste ein paar Mal schlucken

Nur die Mama musste ein paar Mal schlucken, als sie von den Plänen hörte, und auch bei offiziellen Behörden war man zwar interessiert, aber distanziert. Sie haben sich einige Grundstücke im Ruhrgebiet angeschaut, am Ende klappte es dann nur in Marl. Die Wallstraße ist ein Gewerbemischgebiet, in dem man Firmen betreiben und wohnen darf. Hinter den beiden Waggons wird eine Halle für ein Fotostudio entstehen. Zwischen den Wagen soll ein unterkellertes Verbindungsgebäude entstehen. So werde die schlauchartige Zimmerstruktur aufgebrochen. Die Gepäckaufbewahrung unterm Dach soll teilweise erhalten bleiben. An ihr wollen sie Töpfe aufhängen.

„Unser Glück war, dass sich der Bauamtsleiter der Stadt Marl für Eisenbahnen begeistert, deshalb stand er unserem Projekt offen gegenüber”, glaubt Vanessa Stallbaum. Grundsätzlich sei es egal, sagt Stadtsprecher Rainer Kohl, was gebaut werde. Nur die Auflagen müssten erfüllt werden. An was alles gedacht werden muss – Brandschutz, Wärmedämmung, Abstandsregeln und dass nur der vordere Teil zum Wohnen genutzt werden darf.

Nachbarn sind begeistert

Die Nachbarn, vor allem die Kinder, sind begeistert und verfolgen, wie es auf bei ihnen weitergeht. Wenn der Bauantrag genehmigt ist, geht's richtig los. Die Möbel müssten alle auf die geschätzten 140 Quadratmeter passen. „Ich hab' nicht viel, ein Bett und einen Schreibtisch”, sagt Marco Stepniak lächelnd. So richtig können die beiden noch nicht glauben, dass sie nun sesshaft werden. Beide waren viel unterwegs, sind im Schnitt alle zwei Jahre umgezogen. Sie erfüllen sich ihren Traum. Eine Spielzeug-Eisenbahn hatte Stepniak übrigens nie.