Marl. „Rundfunkfreiheit und mehr: Gefährdungen, Perspektiven, Modelle”: Unter dieses Thema hatte das Adolf-Grimme-Institut ein Symposion gestellt, zu dem etwa 60 Medienwissenschaftler, Journalisten und Fernsehleute aus ganz Deutschland kamen.
Anlass war die „Causa Brender”, bei der sich der hessische Ministerpräsident Robert Koch in seiner Funktion als Mitglied des ZDF-Verwaltungsrates offen für die Absetzung des ZDF-Chefredakteurs eingesetzt hat. Und dies mit der politischen Mehrheit in dem Gremium im letzten Herbst durchsetzen konnte.
Wie Fernsehen künftig kontrolliert werden sollte, darüber wurde u. a. diskutiert. „Gremienmitglieder brauchen mehr Sachverstand”, forderte Medienwissenschaftler Professor Volker Lilienthal. „Es gibt engagierte Gruppen, die werden seit Jahren ignoriert. Das ist skandalös.” Umgekehrt sitzen in den Aufsichtsgremien immer noch Vertreter der „Opfer des Stalinismus und der Vertriebenenverbände”, erklärte Tabea Rößner, Medienpolitische Sprecherin von Bündni s 90/Die Grünen. „Migranten und Jugendliche sind im ZDF-Staatsvertrag nicht vorgesehen”, erklärte sie. Der ganz normale TV-Zuschauer übrigens auch nicht. Als beim WDR 2003 eine Publikumsstelle eingerichtet wurde, „hat der damalige Intendant dem Ministerpräsidenten geschrieben und sich beschwert”, berichtete Lilienthal.
Wie die Aufsichtsgremien beim ZDF in Zukunft aussehen werden, das wird wahrscheinlich das Bundesverfassungsgericht zu klären haben. Auf jeden Fall sollen sie mehr Transparenz zeigen. „Das öffentlich-rechtliche Fernsehen wird aus Gebühren finanziert. Die Gremien können nicht hinter verschlossenen Türen kungeln”, forderte Diemut Roether, Chefredakteurin von epd Medien.
„Es müssen nicht nur Aufsichtsprobleme geklärt werden”, mahnte Professor Norbert Schneider, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW. Der Wirtschaftsfaktor sei nicht zu vernachlässigen. Im Hinblick auf wegfallende Gebühren durch zunehmende Befreiungen von Hartz-IV-Empfängern sagte er: „Die Sozialbefreiung von rund 1,5 Milliarden Euro muss von den Kommunen getragen werden.” Darüber werde man 2012 diskutieren, zudem über das Thema Grundversorgung.
„Wie sieht eine Grundversorgung der Drei- bis 15-Jährigen, der 50- bis 100-Jährigen und dem Teil dazwischen aus”, fragte er. Wie soll Fernsehen auf den Wertewandel der Jugend reagieren. „Wir haben dramatische Einbrüche im kulturellen Verständnis. Die labern lieber in Facebook als Inhalte zu lernen”, sagte er.
„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nicht innovativ genug”, erklärte Professor Holznagel vom Institut für Medienrecht der Universität Münster. Der Dienste-Wettbewerb im Internet sei extrem schlecht aufgestellt. „Nach dem Web 2.0 spielen wir nicht mehr mit”, ist er überzeugt. Das wollten die TV-Begeisterten nicht unwidersprochen stehen lassen: „DVBT- und HD-Techniken hätten wir nicht. Da wurde ein Innovationsmotor angeworfen, der Gebühren finanziert ist”, erklärte Oliver Keymis, Medienpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion der Grünen. Aber er gab auch zu: Wie das Fernsehen in zehn Jahren aussieht, könne heute noch keiner so genau sagen. Da gibt's noch keine Modelle.