Herten. Führerschein ist längst nicht mehr Führerschein. Und Fahrschule ist längst nicht mehr Fahschule: Der technische Fortschritt hat Einzug gehalten. Die Theorieprüfung findet heute am PC statt - die Prüfungsbögen haben ausgedient.
Fahrschullehrer Dirk Nagerski kann mittlerweile auf knapp ein Jahr Erfahrung mit dem neuen System zurückblicken. In seiner Fahrschule hat sich seither viel verändert. Nicht nur die theoretische Prüfung wurde digitalisiert, auch in seinem Unterricht kommen neue Arbeitsmittel zum Einsatz. Mit einem interaktiven Whiteboard, einer elektronische Tafel, die an einen Computer angeschlossen ist, führt Nagerski die Fahranfänger durch den Theorieunterricht. Per Fingerdruck kann er zwischen verschiedenen Folien hin und herschalten, Beispielvideos zeigen und wichtige Details durch Mar-kierungen hervorheben. Tafel, Dia und Videofilm hat er in den wohlverdienten Ruhestand geschickt.
Auch seine Schüler profitieren von der Modernisierung. Passend zum Prüfungsprogramm können sie sich mit einer Lernsoftware in der Fahrschule, zu Hause und auch unterwegs - mobile Lerncomputer stehen auch zur Verfügung - auf ihre Prüfung vorbereiten. Das Programm wirkt sich positiv auf den Lerneffekt aus.
„Es ist immer nur eine Aufgabe auf dem Monitor, man lässt sich ja schnell ablenken und übersieht in der Aufregung schon mal eine Frage”, erklärt der Verkehrsexperte. Vergisst der Schüler ein Kreuz zu machen, macht ihn die Software darauf aufmerksam. Darüber hinaus können die künftigen Verkehrsteilnehmer über eine Lernstatistik ihren Wissensstand überprüfen.
Der Hertener Fahrschullehrer, der den Lernfortschritt seiner Zöglinge einsehen kann, hat nun die Möglichkeit, den Lernstoff auf potentielle Lücken oder Schwächen abzustimmen. Hat der Schüler ein gewisses Pensum an Arbeit investiert, kann er eine Prüfung simulieren.
„Die Durchfallquote meiner Schüler ist um 10 Prozent gesunken”, freut sich Nagerski. Nachteile der neuen Vorgehensweise kennt er keine. Problematisch könnte es höchstens für ältere Menschen sein, die eine gewisse Scheu vor PCs haben. „Ich habe meinen 70-jährigen Vater an den Computer gesetzt und es hat geklappt. Ohne Einweisung", weiß Dirk Nagerski diesen Kritikpunkt aus der Welt zu räumen.
Hohe Investitionen waren notwendig
Warum erst 2009 auf Computer umgestiegen wurde, ist schnell beantwortet. „Da steckt natürlich ein riesiger Kostenapparat hinter”, erklärt der Hertener.
Er liegt nicht falsch: Die Umstrukturierungskosten beliefen sich in NRW auf etwa zwei Millionen Euro. Statistisch ist ein Sinken der Durchfallquote laut Rainer Camen vom Pressereferat des TÜV Nord in Essen nicht erkennbar. „Allerdings lässt sich das digitale Programm schneller aktualisieren”, merkt er an. Geplant ist es, das Programm in den nächsten Jahren audiovisueller zu gestalten, um beispielsweise durch Videos den praktischen Bezug zu erhöhen.
Dass man während der Prüfung nicht mehr so leicht schummeln kann, stört Fahrschülerin Lena (17) nicht. „Entweder lerne ich oder ich lasse es bleiben.”
- Theoretische Prüfung am PC: Seit Anfang des Jahres haben die Fragebögen ausgedient, legen Fahrschüler in NRW ihre theoretische Führerscheinprüfung am PC ab. Der Wechsel vom Papier zum digitalen Medium begann 2008 in Berlin und Bremen. Bis zum Januar 2010 sollen in der ganzen Bundesrepublik elektronische Prüfungsstationen installiert sein. Innerhalb der EU ist das neue System schon länger etabliert. Die Theorieprüfung in gewohnter Umgebung der jeweiligen Fahrschule gibt es schon länger nicht mehr. Der Fahrschüler muss eine der zuständigen Prüfanlagen aufsuchen, die in der Regel in nahegelegenen TÜV-Prüfstellen integriert sind. Davon gibt es 89 im Zuständigkeitsbereich des TÜV Nord.