Für den Preis des kleinen Inders gibt es bei Händlern im Vest nur alte Möhrchen. Die Ersten fürchten sich schon vor Billigimporten aus dem ferneren Osten: "Die machen ja den Markt kaputt", heißt es
WIE WEIT KOMMT MAN MIT 1700 EURO?Vest. Der Tata Nano setzt Maßstäbe: Der Neuwagen für rund 1700 Euro soll die Inder in Fahrt bringen. Ein Preisniveau, von dem die Autofahrer im Vest bisher nur träumen können. Was gibt's bei uns für einen Tata Nano? "Na, einen Satz Reifen vielleicht", sagt Heinz Mursa vom Autohaus Wolf in Marl. Zugegeben, der Mann verkauft vornehmlich Jaguar, eine Konkurrenz durch importierte Inder muss er nicht fürchten.
Wir ziehen weiter zu anerkannten Kleinwagen-Experten: Ein Neufahrzeug für die vorgelegten 1700 Euro hat Ralf Kroppen nicht im Katalog. "Aber Gebrauchte gibt es natürlich", sagt der Hertener Autohändler. Für einen Tata bekäme man in Herten nur einen reichlich betagten Volkswagen: "Einen sieben Jahre alten Polo, mit vielleicht 80 000 Kilometern Laufleistung", schätzt Kroppen. "Das wäre so ein klassisches Anfängerauto, bei dem die Oma noch 1000 Euro drauflegt", weiß er.
Erst einige tausend Euro später findet sich der erste Neuwagen auf Kroppens Liste: "Den Fiat Panda oder Kia Piccanto gibt's ab 7400 Euro", rechnet er. Vom Sicherheitsstandard spielten seine Kleinwagen aber in einer anderen Liga: "Der Nano ist ja nur eine bessere Rikscha", findet Kroppen. "Wenn der hier über den TÜV müsste, würde er auch 5000 Euro kosten." Einer möglichen Konkurrenz durch das Billigmobil sieht Kroppen daher gelassen entgegen.
Ganz anders Gebrauchtwagenhändler Ercan Kockin aus Recklinghausen: "Die machen ja den ganzen Markt kaputt", fürchtet er um das lukrative Geschäft mit den alten Möhrchen. Bisher bekommt man bei ihm fürs gleiche Geld gerade mal einen 15 Jahre alten Golf der dritten Generation: "Aber nur den Benziner. Der Diesel kostet deutlich mehr." Abnehmer würde der Tata Nano auch im Vest finden, ist sich Kockin sicher: "Es gibt Leute, für die kann es nicht billig genug sein. Für die ist Sicherheit nicht so wichtig", ist der Recklinghäuser überzeugt.
Autohändler Michael Hacke aus Oer-Erkenschwick sieht in den drohenden Billigimporten eine Gefahr für die Arbeitsplätze in der Autobranche. Überrascht sei er von der Entwicklung nicht: "Wer global denkt, der muss sich nicht wundern, dass hier Arbeitsplätze verloren gehen." Allerdings sieht er keine radikalen Veränderungen auf den Automarkt zurollen. Der Renault-Händler hat den preiswerten Dacia-Logan, 7200 Euro ohne Extras, im Programm. "Die Kunden schauen sich den Wagen zwar interessiert an, gekauft werden aber andere Modelle", hat Hacke beobachtet Ferdinand Dudenhöffer, Professor an der Fachhochschule Recklinghausen für "Marketing Automobilwirtschaft", sieht die Nachfrage für Kleinstfahrzeuge nicht in den neuen Boom-Märkten, sondern eher in unseren Breitengraden. Sollten Autohersteller wegen der Konkurrenz von Billigautos auf die Idee kommen, ihre Modelle abzuspecken, könnte es Folgen haben: Kunden könnten die Billigvariante einem Standard-Kleinwagen vorziehen. Und noch eine Änderung sieht Dudenhöffer im fernöstlichen Autobau: Kostet die Lohnstunde weniger als einen Dollar, gebe es Handarbeit, statt Robotereinsatz. Ein schlechtes Omen für die Hersteller von Produktionsmaschinen, so der Professor.
Im Schatten der Dattelner Pfarrkirche St. Amandus rollt bereits der erste Indien-Import. Die Gemeinde hat sich vor Jahren ein Mobil zugelegt, das deutsche Autobauer allerdings kaum das Fürchten lehrt: Die Rikscha ist nun wirklich ein Gefährt von gestern. Die 100 Stundenkilometer eines Nano erreicht Gemeindemitglied Annette Michels auch nach einem nährstoffreichen Frühstück nicht. Preislich kommt das Tretmobil dafür noch etwas günstiger daher: "1200 Euro haben wir bezahlt." Gebraucht wohlgemerkt.