Beim zweiten Medizinforum der WAZ im Vest im Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen erfuhren die Besucher viel Wissenswertes zum Thema Organspende und Organtransplantation.

Luise Bross (70) will die Entscheidung, was im Fall der Fälle einmal mit ihren Organen passiert, nicht ihren Angehörigen überlassen. Deshalb ist sie an diesem Samstag ins Knappschaftskrankenhaus gekommen, um sich zu informieren. Es ist ein schwieriges Thema, um das es geht beim zweiten Medizinforum der WAZ im Vest und der Klinik im Recklinghäuser Norden: „Organspende und Transplantation”. Ein Thema, „bei dem Vertrauen in die Ärzte ganz wichtig ist”, wie Moderator Thomas Schmitt, Leiter der WAZ-Redaktion „Unser Vest”, eingangs erklärt. Und ein Thema, bei dem jeder bereit sein muss nachzudenken über den eigenen Tod – und über das Danach. Doch Luise Bross' Besuch soll sich lohnen. Denn wie sonst hätte sie – zum Beispiel – erfahren, dass man eine chronische Lebererkrankung haben, aber die Niere trotzdem zur Organspende taugen kann, wie Prof. Dr. Martin Büsing, Chefarzt der Allgemein- und Unfallchirurgie des Knappschaftskrankenhauses, erläutert. Oder dass in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren der Anteil der Lebend-Nierenspenden von fünf auf 20 Prozent angestiegen sei. Dennoch: Die meisten Spenderorgane stammen nach wie vor von Verstorbenen. Genauer: von Menschen, bei denen der Hirntod festgestellt wurde. Denn medizinische Voraussetzung dafür, dass dem Körper funktionsfähige Organe entnommen werden können, ist, dass vor dem Herzstillstand der Hirntod eintritt (infolge eines Unfalls, einer Hirnblutung, einer Hirnschädigung nach Wiederbelebung). Was von den 400 000 Toten in deutschen Kliniken jährlich nur etwa ein Prozent betrifft. Damit könnte es pro Jahr hierzulande etwa 4000 potentielle Organspender geben. Doch 2007 waren es nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) nur 1313. Dem gegenüber stehen 12 000 Menschen, die auf ein neues Organ warten. Sören Melsa (36), bei der DSO in Essen als Koordinator für Organspenden und -transplantationen zuständig, hat während seiner Ausbildung zum Mediziner persönlich erlebt, was das heißen kann, auf ein Spenderorgan zu warten: auf einer Dialysestation für Kinder. Und er hat auch mitbekommen, „wie glücklich die Kinder waren, nachdem sie eine neue Niere hatten”. Doch aus der Erfahrung seiner langjährigen Arbeit weiß Melsa auch, dass das Thema Organspende bei vielen Menschen ein Tabu und mit Ängsten behaftet ist. Und ohne medizinische Kenntnisse kaum zu begreifen: „Dass ein Mensch warm ist, sein Herz schlägt und er trotzdem tot sein soll, ist für Angehörige in so einer Schocksituation schwer zu verstehen.” Deshalb sucht er den Anwesenden, den Begriff Hirntod verständlich zu machen. Sagt zum Beispiel, dass spinale Reflexe – Reaktionen des Körpers auf Reize, die über die Bahnen des Rückenmarks geleitet werden – zwar befremdlich wirken können, aber dass gerade sie ein Zeichen dafür seien, dass jemand hirntot ist. „Ein gesunder Mensch”, so Melsa, „kann solche Reflexe unterdrücken.” Die medizinische Definition für Hirntod ist eindeutig, sagt Melsa. Die Kriterien dafür zu kennen, kann Ängste abbauen. Und eine Entscheidung pro Organspende erleichtern. Von einer solchen hat Jens Döring profitiert. In einem sehr persönlichen Vortrag erzählt der 30-Jährige, der infolge seiner Mukoviszidose – einer Stoffwechselerkrankung, die die Atemwege verstopft – eine Spenderlunge benötigte, über sein Leben mit dem neuen Organ. Seinem zweiten, die erste Lunge wurde ein Jahr nach der Transplantation abgestoßen. Seit Juni 2007 hat er die zweite Spenderlunge, strahlt Lebensfreude pur aus und sagt, er habe „noch viele Pläne”. Und Luise Bross? Die Recklinghäuserin sagt, das Gehörte habe sie „sehr beeindruckt”.