Eckhard Seidel (65) und Elisabeth Dammann (71) waren weltweit unterwegs mit dem Senior Experten Service.Sie gaben ihr Wissen weiter - und lernten dabei selbst ganz viel
Recklinghausen. Andere in ihrem Alter legen sich in den Garten. Sie aber wagten ein Abenteuer: Eckhard Seidel (65) und Elisabeth Dammann (71). Der Chemieingenieur und die Sozialpädagogin gingen ins Ausland, um dort mit ihrem Berufswissen zu helfen. Ein echtes Wagnis. Möglich machte das der Senior Experten Service (SES), eine Stiftung der deutschen Wirtschaft. Dammann ging nach Sibirien, Seidel war in Brasilien und Sri Lanka. Zwar hatte auch er ein Angebot, nach Kasachstan zu gehen, das kam jedoch nicht infrage. Der Sprache wegen.
Wie die pensionierte Studienrätin Dammann diese Herausforderung bewältigt hat? "Anfangs habe ich mich mit Händen und Füßen verständigt", erinnert sie sich an ihre ersten Gehversuche fernab von Recklinghausen im sibirischen Tusk. Den SES hatte die Seniorin schon vor der Pensionierung 1998 im Auge: "Man kann zu Hause verblöden oder was machen", ist die ehemalige Studienrätin überzeugt - und zögerte nicht, als sie das Angebot bekam. "Du tickst doch nicht sauber, als Frau da hinzugehen", schallte es aus ihrer Familie zurück. "Klar mache ich die Reise", beschloss Dammann. Trotzdem.
Seitdem war die temperamentvolle Dame elfmal in der Stadt, die heute 600 000 Einwohner zählt. "Von dort bis nach Moskau sind es drei Tage mit dem Zug", beschreibt sie die unglaubliche Entfernung. Über die sprachlichen Barrieren half ihr ein Dolmetscher.
Und schließlich brachte sie sibirischen Schülern bei, die deutsche Sprache zu lernen. Wie einst in Herne am Emschertal-Berufskolleg, arbeitete die Sozialpädagogin auch in Sibirien in der Schule: "Ich habe Achtklässler unterrichtet und Lehrer fortgebildet." Dammann führte Gruppenarbeit ein, ermutigte ihre Schützlinge zu Diskussionen. Das brachte die Lehrkräfte auf: "Die kannten nur Frontalunterricht." Sie hat den Schritt nie bereut, in ihrer Arbeit gehe sie jedes Mal neu auf. "Entwicklungshilfe" nennt sie die Aufgabe der Senior-Experten.
Dem kann sich Eckhard Seidel nur anschließen. Obwohl er in anderer Mission unterwegs war. "Ich komme aus der Kunststoffbranche", erklärt er den beruflichen Hintergrund. Seidel kennt sich bestens aus mit Spritzgusstechnik, einem Verfahren, um Kunststoff in Form zu bringen. Während Dammann den Unterricht auf dem Hotelbett von Hand vorbereitete, stand Seidel ein Laptop zur Verfügung: "Das war so, als wenn ich in Deutschland zur Arbeit gehe." Andererseits machte er erschreckende Erfahrungen: "Schon einfache Facharbeiter sind Mangelware. Einer macht da alles, die haben keine gute Ausbildung." Über die Zeit in Sri Lanka sagt er: "Die machen viele Fehler dort." Nicht alle konnte er in der kurzen Zeit beseitigen. Aber: "Ich habe versucht, das Beste aus den Möglichkeiten zu machen."
Dammann dachte ähnlich, sie nahm, was da war. Die deutsche Studienrätin kam, sah, siegte: Fast ein Dutzend Mal war sie mittlerweile in Sibirien, löste eine wahre Verbesserungs-Lawine aus. Inzwischen kommen die von ihr ausgebildeten Lehrer alleine zurecht und vermitteln ihre Methoden weiter. Auch Ingenieur Seidel konnte die Qualität an einigen Stellen im Betrieb verändern - manches blieb allerdings ein Tropfen auf den heißen Stein.
Für die Recklinghäuser steht fest, dass sie nicht zum letzten Mal für den SES unterwegs gewesen sind. "Es macht Spaß und man lernt viel", sagen sie. An Nachahmer gerichtet, betonen die beiden allerdings: "Urlaub war das nicht."