Philomena Franz kommt an Schulen und führt den Kampf gegen das Vergessen. Eine Aktion des „Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus“, der auch schon Stolpersteine verlegte und regelmäßig Auschwitz besucht.
Gebannt sitzen die Schüler auf ihren Stühlen und lauschen den Worten der älteren Dame auf der Bühne. Philomena Franz ist 92 Jahre alt und wurde von Nazischergen in fünf Konzentrationslager verschleppt. Sie krempelt ihren Ärmel hoch und zeigt den Kindern die Nummer, die die Aufseher ihr auf den Unterarm tätowierten, sie war Häftling 10 550. „Wir waren keine Menschen mehr, nur noch Viecher.“ Ihre ganze Familie ermordeten die Nazis, Philomena entkam immer wieder, angetrieben von ihrem unbändigen Lebenswillen.
1941 standen SS-Männer vor der Tür und nahmen sie mit zur Zwangsarbeit in einer Munitionsfabrik. Zwei Jahre später ging es nach Auschwitz, wo es eine eigene Abteilung für „Zigeuner“ gab. An einem der ersten Tage steigt ihr der Geruch von gebratenem Fleisch in die Nase. „Was braten die hier?“, fragen sich die Häftlinge. Sie wissen zu der Zeit noch nicht, dass in den Hochöfen Menschen verbrannt werden.
Franz hatte Glück, dass sie eine Jüdin auf der Meldestelle kannte. So ließ sie sich auf eine Liste für das KZ Ravenbrück setzen, weil sie ihre Schwester dort vermutete. Dort angekommen erkrankte sie durch die schwere Arbeit und die mangelhafte Ernährung. „Hier sterbe ich nicht“, schwor sich die ausgebildete Tänzerin und kletterte eines Nachts mit letzter Kraft über den Lagerzaun. Nach wenigen Tagen wurde sie gefasst, schwer misshandelt und ins KZ Oranienburg gebracht. Dort muss sie 14 Tage in einem finsteren Loch ausharren, bevor sie verhört und verprügelt wird. Dann wartet ein Wagen auf sie. „Darauf stand Krankentransport Auschwitz“, berichtet Franz, „ein Todesurteil.“
Dort wartete sie schon in der Schlange vor der Gaskammer, als ein SS-Mann sie und andere deutsch sprechende Frauen herauswinkte. Die polnischen Mithäftlinge gingen ins Gas, die im letzten Moment Verschonten mussten am nächsten Tag ihre Asche wegschaffen. Wieder wird Franz versetzt: An eine Flugzeugfabrik in Wittenburg an der Elbe. Nach acht Wochen gelingt ihr die Flucht. Obwohl abgemagert und geschunden, schafft sie es die Elbe zu durchschwimmen. Schließlich nimmt sie ein alter SS-Mann auf und pflegt sie gesund. Im Gegenzug rettet Philomena Franz ihn vor den Russen. Als die Zeitzeugin ihre Geschichte beendet, brandet Applaus auf, nicht wenige Kinder haben Tränen in den Augen. Viele eilen nach vorne, schütteln ihre Hand, nehmen die Frau in den Arm.
Referentin ist nicht verbittert
„Ich bin froh, dass die Schüler so interessiert sind“, sagt Thomas Badstieber, Initiator des „Arbeitskreis gegen Rechts“, der mit Schülern schon Stolpersteine verlegt hat und regelmäßig nach Auschwitz reist. Trotz allen Leids ist Philomena Franz nicht verbittert. Die Botschaft, die sie den Kindern mitbringt, ist von Liebe und Vergebung geprägt. „Hass erzeugt nur mehr Hass. So eine Zeit darf nie wieder über die Menschen kommen.“