Leitender Notfallaufnahmearzt Dr. Günnewig: "Mit Spätfolgen hat keiner der Patienten zu rechnen."28 Menschen haben nach Störfall bei Wülfrather Firma Ashland das Klinikum Niederberg aufgesucht

Dr. Horst Günnewig, Leitender Abteilungsarzt der Interdisziplinären Notaufnahme (INA), demonstriert hier, wie er und sein Team bei den Notfall-Patienten vorgegangen sind: erst einmal Mund, Rachen und Schleimhäute untersuchen. Foto: WAZ, Detlev Kreimeier
Dr. Horst Günnewig, Leitender Abteilungsarzt der Interdisziplinären Notaufnahme (INA), demonstriert hier, wie er und sein Team bei den Notfall-Patienten vorgegangen sind: erst einmal Mund, Rachen und Schleimhäute untersuchen. Foto: WAZ, Detlev Kreimeier © WAZ

CHEMIEUNFALL Mit Kopfschmerzen, dem Gefühl, dass etwas auf der Haut brennt, einem Kratzen im Hals, Speichelfluss, Übelkeit und Schwindel, Kreislaufschwäche und tränenden Augen kamen seit Montagnachmittag 28 Patienten in die Notaufnahme des Klinikum Niederberg. "Wir waren vorgewarnt", so Dr. Horst Günnewig, Leitender Abteilungsarzt der Interdisziplinären Notaufnahme (INA). Die Leitstelle der Feuerwehr hatte dem Klinikum schnell den Störfall im Wülfrather Chemiewerk Ashland gemeldet. Die Pflege-Frühschicht, fünf Pfleger und Schwestern, ging nicht nach Hause. Sie blieb. Weitere fünf Pflegekräfte und vier Ärzte bildeten das Team, das sich um die Verletzten kümmerte.

"Mit einem Inhalator haben wir den Patienten Cortison verabreicht", so Dr. Günnewig. Und: "Da wir in der Notaufnahme nicht so viele Therapie-Einheiten vorrätig halten, haben wir die Inhalatoren u.a. aus den Stationen abgezogen." 26 Patienten konnten nach ein- bis anderthalb Stunden wieder entlassen werden. Zwei, eine Frau und einen Mann, "haben wir aus Sicherheitsgründen stationär bis gestern behalten", so Dr. Günnewig. Gerade die Frau habe Krampfgefühle gehabt, sagt der Arzt.

"Der erhöhte Blutdruck ist bei vielen Patienten auf die situationsbedingte Aufregung zurückzuführen." Bis gestern Nachmittag suchten noch drei weitere Patienten das Klinikum auf - aus Vorsorge. Günnewig: "Zudem erkundigten sich drei Anrufer nachts, wie sie sich verhalten sollen. Aber eher rein informativ."

Leider war kein Patient bereit, sich gegenüber der Presse zu äußern.

Das Klinikum Niederberg ist nicht weit von der Firma Ashland entfernt. Da die Ärzte dieses wissen, haben sie sofort bei der Feuerwehr nachgefragt, um welche chemische Substanz es sich handele: Dicyclopentadien, ein Stoff, der für die Kunststoffherstellung notwendig ist. Mit dieser Information wussten Ärzte und Pfleger, wie und was sie zu tun hatten. Günnewig: "Wir haben alle gründlich körperlich untersucht, die Haut und Schleimhäute inspiziert, die Lunge abgehört, Mund und Rachenraum überprüft und den Blutdruck gemessen." Der Zustand der ambulanten Patienten "hat es primär erlaubt, auf weitergehende Untersuchungen, z.B. Blutabnahme, zu verzichten." Mit Spätfolgen habe keiner der Patienten zu rechnen, beruhigt der Arzt. Es liege keine Vergiftung, sondern eine Reizung vor, die sich innerhalb kurzer Zeit normalisiere. Der Stoff Dicyclopentadien ist eine Kohlenwasserstoffverbindung, die schon ab einer niedrigen Konzentration in der Luft ein schädliches Gemisch bildet. Beim Einatmen, so Günnewig, könne ein Inhalationstrauma entstehen.

Insgesamt hätten alle Patienten Glück gehabt. Sie seien sofort von der Feuerwehr ins Klinikum gebracht worden oder selbst gekommen. Außerdem hätte bei keinem ein größerer Inhalationsschaden vorgelegen. Günnewig: "In schweren Fällen muss man damit rechnen, dass die Lunge oder das Bronchialsystem stark in Mitleidenschaft gezogen sind." Der Arzt rät: "Wenn Chemie ausströmt, sofort geschlossene Gebäude aufsuchen, Fenster und Türen schließen und sich so gut wie nur möglich informieren."

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