Velbert. . Die meisten türkischen Verbände aus Velbert sehen den Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Köln kritisch. Sie unterstützen die Gegendemonstranten oder äußern zumindest Verständnis. Es gibt aber auch Gruppierungen, die den Besuch Erdogans positiv sehen.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan tritt am Samstag wieder in Köln auf. Offizieller Anlass ist das zehnjährige Bestehen der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (EUDT), doch angesichts der bevorstehenden Präsidentenwahl am 10. August in der Türkei sehen viele in dem Besuch eine Wahlkampfveranstaltung. Kanzlerin Merkel hat an Erdogan appelliert, zurückhaltend und verantwortungsbewusst aufzutreten.

Dieser Appell genügt vielen der in Velbert lebenden Türken nicht. „Deutschland soll Farbe bekennen“, fordert Hakan Civelek, Vorsitzender der Föderation türkischer Elternvereine in NRW. Die Belehrungen an die Adresse seiner Landsleute nach dem Grubenunglück von Soma seien völlig instinktlos gewesen, doch gewiss nicht der einzige Grund für Kritik an Erdogan. Deutschland solle zu Erdogans Politik Stellung beziehen. Umso mehr befürwortet er, dass am Samstag Tausende gegen den Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten protestieren wollen.

Mit mehreren Kulturen verbunden

Viele der Demonstranten sind Aleviten, so auch die Mitglieder des Alevi Bektasi Kulturzentrums in Velbert. Sie wollen zeigen, dass sie Gegner von Erdogans Politik sind, sich aber auch von den Inhalten seiner Reden in Deutschland distanzieren. „Er versucht Zwist zwischen deutscher und türkischer Bevölkerung zu säen“, meint Mitglied Emre Esen. Diejenigen, die Demonstrationen für zwecklos halten, kann er nicht verstehen. „Denn nur wenn wir dort erscheinen, muss Erdogan die Gegenseite wenigstens wahrnehmen.“

Cem Demircan, Bürgermeisterkandidat der Partei „Neues Velbert“, sieht das Engagement der Demonstranten mit gemischten Gefühlen. Er verstehe zwar die Kritik an Erdogan, nicht aber, wie Demonstrationen in Deutschland die Verhältnisse in der Türkei verändern sollten. Stattdessen befürworte er, wenn die in Deutschland lebenden Menschen sich für die Politik in Deutschland interessieren. Anders die Integrationsbeauftragte Helena Latz: Sie sieht im Interesse für deutsche und türkische Politik keinen Widerspruch: „Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich schließlich mit mehreren Kulturen verbunden.“ Für andere Türken ist der Besuch Erdogans kein Anlass für Demonstrationen. „Wir finden es gut, dass Erdogan sich auch über die Türken in Deutschland Gedanken macht“, so Ünsal Tutar, Vorstandsmitglied der Ditib. Über die Demonstranten ärgere er sich indes nicht. „Es ist richtig, seine Rechte wahrzunehmen.“