Velbert. . Drei Jahre alt war Dieter Schettgen im Bombenjahr 1944. Dennoch haben sich die Erinnerungen ins Gedächtnis des Velberters eingebrannt. Der 72-Jährige erzählt von Tiefflieger-Angriffen oder der Begegnung mit einem polnischen Zwangsarbeiter.
Obwohl Dieter Schettgen während der Bombennächte gerade mal drei Jahre alt war, haben sich die Erinnerungen an den Krieg „wie Fotografien in mein Gedächtnis eingebrannt“, sagt der gebürtige Velberter. Überwiegend sind es furchtbare, leiderfüllte Bilder – aber auch manch rührende Begebenheit ist dabei, etwa als die Amerikaner kurz vor Kriegsende einrückten.
Noch lebhaft im Gedächtnis geblieben sind Schettgen die Nächte im Bunker. „Wir wohnten auf der Goebenstraße. Dauernd gingen die Sirenen, das ging einem schon sehr auf den Geist.“ Dabei hatte er eigentlich als kleines Kind keine Furcht. „Ich hatte ja keine Vorstellung davon, was die Flugzeuge und Bomben machen.“ Für die Angst sorgten dann aber die Erwachsenen – insbesondere seine Mutter, die im Bunker auf der Bismarckstraße ihre Sorgen vernehmlich kundtat und so auch bei ihrem Sohn Furcht auslöste.
Birnen für hungrige GIs
Dieter Schettgen ist pensionierter Hauptschul- und Grundschullehrer.
In Erinnerung geblieben ist dem 72-Jährigen auch eine Situation mit zwei schwarzen US-Soldaten: „Die waren sehr nett zu allen Kindern, die draußen standen. Von den Erwachsenen war niemand zu sehen, wohl wegen des schlechten Gewissens. Die beiden Soldaten wollten Birnen von unseren Bäumen. Die gab ich ihnen, dafür bekam ich Bonbons.“
Auch bei Schettgens Frau Anita ist der Krieg nicht vergessen – sie ist genau so alt wie ihr Mann. „Als ich nach dem Krieg mit meiner Mutter beim Feuerwerk war, musste sie mit mir nach Hause gehen, weil ich wie am Spieß geschrien habe“, erzählt die 72-Jährige. Auch der Hunger ist ihr noch präsent – und was die Menschen gegessen haben: „Bei uns im Haus hatte ein Ehepaar ein Zimmer gemietet. Eines Tages gab es riesigen Krach, da haben die beiden den Kopf eines Pferdes geteilt, das auf der Straße verendet war.“
Auf der Wegstrecke zu den Schutzräumen hätten sich die Ängste der Mutter kurz vor Kriegsende bei einem Tieffliegerangriff auch beinahe bewahrheitet. „Meine Mutter erzählte mir noch oft Jahre später, dass sie mit mir und meinem Bruder an der Hand auf dem Weg zum Bunker war. Da kam plötzlich ein Tiefflieger“, berichtet Schettgen weiter. „Sie sah das Gesicht des Piloten, der sein Maschinengewehr auf uns richtete. Innerlich hatte sie schon mit dem Leben abgeschlossen.“ Doch ein kleines Wunder geschah: Der Pilot drückte nicht ab, „weil er wohl eine junge Frau mit zwei Kindern nicht erschießen wollte.“
Auch ein weiteres Bild kann Dieter Schettgen nicht vergessen: Wie er vor dem Tor seines Hauses stand und auf die Rückkehr seines Vaters aus dem Krieg wartete – vergeblich. „Das ist die schlimmste Erinnerung, die ich habe. Mein Vater war in Stalingrad und ist nicht heimgekehrt“, sagt er. Jahrelang habe er gehofft, den geliebten Papa wiederzusehen. Denn: „Viele Väter kamen in der Nachbarschaft aus englischer oder französischer Kriegsgefangenschaft zurück.“
Schaufel als Geschenk
„Das letzte, was ich von meinem Vater weiß, ist ein Brief von ihm an meine Mutter. Darin schreibt er: ,Der Kessel in Stalingrad ist noch nicht zu. Wir kommen vielleicht noch raus.’ Was danach mit ihm passiert ist, wissen wir nicht.“
Auch kann sich der heute 72-Jährige noch gut an Begegnungen mit einem Zwangsarbeiter und amerikanischen Soldaten erinnern. „Kurz vor Kriegsende spielte ich in unserem Garten. Da kam ein polnischer Zwangsarbeiter vorbei, der mir mit den Händen deutlich machte, dass er Hunger habe.“ Der Mann, der sehr schlecht und abgemagert aussah, hatte auch eine Kinderschippe. Schettgens Mutter gab ihm ein Stück Brot, im Gegenzug erhielt der kleine Dieter die Schaufel. „Mit der habe ich Jahre später noch gespielt.“