Neviges. . Langsam, aber sicher, erobern sie eine Frauendomäne: Männer als Erzieher in Kitas. In Neviges ist der Herr im Haus sogar der Chef: Matthias Höhn leitet den Kindergarten „Kinderreich“ der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde.
Jana findet ihre Gummistiefel nicht, Annemarie steht heute mit dem Reißverschluss ihres Anoraks auf dem Kriegsfuß und Juliana kämpft ausgerechnet jetzt, wo die anderen zum Spielen draußen schon fertig sind, mit dem Verschluss ihrer Pelzmütze. Es ist ein fröhliches Durcheinander auf dem Flur des „Kinderreiches“, dem Kindergarten der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde.
Wie zwei Felsen in der Brandung stehen da Erzieherin Heike Hülse und ihr Kollege Matthias Höhn, bei dem geradeauch noch ständig da Handy bimmelt. Denn Matthias Höhn ist auch Leiter des „Kinderreiches“ – und damit einer der Männer, die langsam, aber sicher eine Frauendomäne erobern.
„Ja, natürlich verhalten sich Männer in diesem Beruf anders als Frauen. Das ist doch klar, und das ist auch gut so“, meint der 27-Jährige, der im Sommer letzten Jahres als Vertretung für eine Kollegin, die in Elternzeit ging, für zwei Jahre die Leitung der Einrichtung an der Siebeneicker Straße übernahm. Was er anders mache? Höhn überlegt kurz. „Wie soll ich sagen, vielleicht bin ich manchmal direkter. Und ich lasse die Kinder manchmal wohl auch mehr unter sich austragen, greife später ein.“
Zum Beispiel, wenn sich Jungen raufen, dann gucke er sich das erstmal eine Weile an, dabei natürlich aufpassend, dass nichts passiert, es nicht zu heftig wird. „Die machen n das dann viel schneller unter sich aus, als Sie denken.“ Auf seine Idee, eine kleine „Kampfarena“ für zwei Streithähne aufzubauen, kämen seine Kolleginnen wohl auch nicht gerade. „Ich habe das mal gemacht, also Matten ausgelegt, und gesagt: Ihr dürft nicht kratzen, beißen, hauen, aber ihr dürft gegeneinander drücken.“ Die Kinder bekämen dadurch eine realistische Einschätzung, wie viel Kraft sie haben. Und wie sich das auswirkt. „Sie müssten mal manche Zahnbürsten sehen. Die sind neu, sehen aber aus, als seien sie drei Monate alt, weil manche wie verrückt darauf rumdrücken.“
Wer jedoch meint, Matthias Höhn spiele am liebsten den „wilden Mann“, der irrt. Der Vater einer vier Monate alten Tochter geht auch auf die Kleinsten – 11 der insgesamt 33 Kita Kinder gehören in die Kategorie U 3 – mit bewundernswerter Geduld und Sanftmut ein. In einem Punkt unterscheide er sich von vielen Vertreterinnen seiner Zunft: „Ich bin jetzt nicht unbedingt der begeisterte Bastler.“
Wickeln übernehmen Kolleginnen
Und es gibt eine Aufgabe, die überlässt er als Mann immer seinen Mitarbeiterinnen, obwohl ihm das leid tue. Weil es eigentlich eine schöne Aufgabe sei und die Kolleginnen sowieso genug zu tun hätten: „Ich wickel nicht, da bin ich konsequent, das ist mir einfach zu heiß.“ Stichwort Missbrauch. Zwar sei ihm im Kinderreich seitens der Eltern noch nie auch nur ein Hauch von Misstrauen entgegen geweht, daran sei überhaupt nicht zu denken, aber was ein Kollege in einer anderen Stadt erlebt habe, das sei ihm eine Lehre gewesen. „Und ich muss auch nicht unbedingt einen Berg von Kindern auf den Schoß nehmen.“ Ein unschönes Thema bei einem wunderschönem Beruf, mit dem sich männliche Erzieher auseinandersetzen müssen.
Der schönste Beruf - Schon als Jugendlicher gern mit Kindern gearbeitet
Dass der 27-Jährige bei all seinen zahlreichen Pflichten als Leiter – zum Beispiel Personalplanung, Elternbesprechungen und verwaltungstechnische Aufgaben – weiter an der Basis, also mit Kindern arbeiten kann, ist Matthias Höhn „sehr, sehr wichtig.“ Denn einen anderen Beruf als Erzieher kann sich der leidenschaftliche Basketballspieler, der im Moment wegen Familie und Beruf kaum noch Zeit für sein Hobby findet, einfach nicht vorstellen: „Zu sehen, wie Kinder sich entwickeln, wie sie wachsen und lernen, das ist einfach das Allergrößte.“ Gerade die Kleinen ließen einen immer wieder staunen, wie atemberaubend schnell sie neue Dinge erlernen – auch voneinander.
Wie er auf die Idee kam, Erzieher zu werden? „Ich habe schon als Jugendlicher in der Gemeinde gern mit Kindern gearbeitet, hat mir immer Spaß gemacht.“ Nicht zuletzt kommt Matthias Höhn aus einer großen Familie, auch seine drei Schwestern sind in sozialen Berufen gelandet: Eine arbeitet als Grundschullehrerin in Peking, eine wird Krankenschwester.
Langsam wird Matthias Höhn jetzt unruhig. Wir doch nebenan in der „Froschgruppe“ gerade Kindergeburtstag gefeiert. Was ihm noch wichtig ist, bevor er davon eilt: „Nur, weil ich ein Mann bin, bin ich nichts Besonderes oder gar besser als eine Kollegin. Wir sind hier einfach ein tolles Team