Wuppertal/Velbert. . Im Prozess gegen Jürgen L. dünnt die Kammer mit Blick aufs Plädoyer und Urteil die zehn Anklagepunkte aus, die fürs Strafmaß kaum relevant sind. Auf Rückerstattung ist beim hochverschuldeten Ex-DRK-Schatzmeister eh nicht zu hoffen.

Da sich die Beweisaufnahme im Prozess gegen Jürgen L. dem Ende zuneigt, dünnt die zweite Wirtschaftskammer des Landgerichts Wuppertal mit Blick aufs Plädoyer die Anklageschrift aus: Am gestrigen sechsten Verhandlungstag wurden auf Vorschlag des Vorsitzenden Richters zehn Anklagepunkte, bei denen es um die Erwerbergemeinschaft Coswig geht, fallen gelassen, da sie mit der Gesamtsumme von etwa 2000 Euro sowohl fürs Strafmaß nicht relevant sind und es eh beim mit einer halben Million Euro verschuldeten früheren Schatzmeister des DRK-Ortsvereins Velbert kaum Chancen auf Rückerstattung gibt.

Große Augen machte der Vorsitzende Richter Norbert Müller, als der einstige Steuerberater Jürgen L. erklärte, wie die Verköstigung einiger Bewohner des Seniorenheims zwischen dem DRK und der Rheinischer Hof Restaurationsbetriebs-GmbH beglichen wurde. Für die Vollverpflegung hat das Velberter DRK offenbar 16,50 Euro pro Person zahlen müssen – offiziell verrechnet wurden in den Büchern offenbar aber nur 5 Euro. „Umsatzsteuerhinterziehung“ nannte dies Müller. Auch dass bis 2009 mehr als ein Jahr lang die Essen ausgeliefert wurden, obwohl das DRK nicht mehr gezahlt hatte (L: „Die wollten nicht, weil dahinter ja ich stand“) und so die GmbH noch mehr Miesen machte, verstand der Staatsanwalt nicht: „Warum haben sie die Essenslieferung nicht nach drei Monaten eingestellt?“

Die Kammer nahm auch erneut die Vermögens- und Einkommensverhältnisse von L. und seiner Frau unter die Lupe. Wie der heute 64 Jahre alte L. sich immer wieder von einem Kredit zum nächsten hangelte, sorgte für Kopfschütteln: „Wenn ich keinerlei Möglichkeit auf Einkünfte habe, ist das vielleicht verständlich“, sagte Müller, „aber wie kann das einem Steuerberater passieren? Von Ihrer Denkweise her müssten Sie doch immer gucken, wo ein Minus und wo ein Plus ist, das dann eine Null ergibt. Warum haben Sie das nicht hinbekommen?“ L. antwortete mit brüchiger Stimme, wiederholte als Grund dafür seinen luxuriösen Lebensstil. Etwas süffisant gab Müller zu bedenken: „Bei solchen Fällen denkt man ja schon mal öfter: Wer so viel Geld hat, muss doch irgendwo ein Konto in der Schweiz haben.“ Auf die Frage, ob er etwas angespart habe, antwortete L. aber nur: „Schön wär’s.“

Das Cabrio zahlt „ein Freund“

Auch seine Frau bekäme derzeit kein Gehalt; deren Streit mit dem zweiten Geschäftsführer einer metallverarbeitenden Firma beschäftigt das Landgericht in einem anderen Prozess. Auf diese Firma ist auch der Wagen, ein Audi-Cabrio, zugelassen, mit dem die L.s fahren. Finanziert werde er aber von „einem Freund“, der L. 700 Euro für die Leasingrate gebe. Bereits am Montag hatte L. erklärt, seine Frau als Geschäftsführerin wäre mehr oder weniger nur Strohfrau gewesen, er habe die Fäden in dieser Angelegenheit gezogen. Frau L. wird auch als Gläubigerin im Insolvenzverfahren gegen die Firma Wetec genannt; L. hatte auf ihren Namen 45 000 Euro von einem Prior-Darlehen in die Firma gesteckt. Sollte es bei einer entsprechenden Insolvenzquote doch eine stattliche Teilrückerstattung geben, wäre zumindest L.s Aussage hinfällig, dass vom veruntreuten Geld gar nichts mehr da wäre.

Verkauf der Alten Herrlichkeit hat Geschmäckle

Interessantes brachten die Nachfragen zur Alten Herrlichkeit ans Tageslicht: Mit der Rheinischer Hof Restaurationsbetriebs-GmbH stieg L. auch bei der Gaststätte nach der Insolvenz deren Besitzers ein. Zunächst gab’s einen Pachtvertrag über acht Monate, sein Plan sah anschließend vor, die Alte Herrlichkeit samt Grundstück zu übernehmen. Obwohl der Rheinische Hof schon wenig abwarf, band sich L. im Bewusstsein, ein hohes Risiko einzugehen, auch die Alte Herrlichkeit ans Bein. „Sie haben zwei überschuldete Sachen und wollen etwas Positives daraus machen?“, verdrehte Norbert Müller die Augen. Dazu gab’s das Konzessionsproblem, weil der schon lange vorher gebaute Wintergarten illegal auf dem Grund der Stadt Velbert entstanden ist. „Ihnen war also klar, dass das Projekt nicht weitergeführt werden konnte“, erklärte der Richter.

Allzu lange ging das Vorhaben nicht gut: Gerade mal zwei Monatsmieten konnte die GmbH überweisen, dann war auch sie insolvent. Geschmäckle hatte anschließend die Veräußerung der Gaststätte und der darüber befindlichen Wohnungen: Als Käufer der Immobilie trat jene Treuhand GmbH auf den Plan, bei der L. Gesellschafter ist. So lässt sich erklären, warum er sich bis zuletzt für die Inbetriebnahme der Alten Herrlichkeit eingesetzt hat.