Velbert. Wird in Velbert eine Frau vergewaltigt, arbeiten Polizei und Klinikum eng zusammen. WAZ-Gespräch mit Chefarzt Dr. Gerd Degoutrie
Der Fall der Behandlung eines weiblichen Vergewaltigungsopfers durch Mediziner in einem katholischen Krankenhaus in Köln, wo aus religiösen Gründen die „Pille danach“ verwehrt wurde, hat hohe Wellen geschlagen. Was geschieht mit Opfern von Sexualtätern in Velbert? Wie funktioniert die Zusammenarbeit von Polizei und Krankenhaus? Mit Dr. med. Gerd Degoutrie, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Niederberg sprach WAZ-Redakteur Matthias Spruck.
Wird jedes Vergewaltigungsopfer aus dem Stadtgebiet Velbert/Heiligenhaus von der Polizei ins Klinikum Niederberg gebracht?
Nach einer Vergewaltigung ist eine ärztliche Untersuchung immer notwendig – allein schon zum rechtlichen Schutz des Opfers, um vor Gericht die Beweislage zu sichern.
Was passiert im Klinikum Niederberg?
Im Vorfeld hat die Polizei – nach Möglichkeit mit einfühlsamen weiblichen Beamten – die Vergewaltigung bereits aufgenommen, so dass später bei uns nicht wiederholt Fragen dazu gestellt werden müssen.
Sie versuchen, die Belastung so gering wie möglich zu halten.
Ja, daher auch das Bestreben, Polizistinnen und bei uns Fachärztinnen für diese Situation bereit zu stellen. Wir wollen die emotionale Belastung des Opfers nicht zu groß werden lassen.
Das läuft dann so: Über Telefon sind wir schon vor Eintreffen der Patientin über alle Umstände des Verbrechens informiert. Die Zusammenarbeit mit der Kreispolizei Mettmann ist da sehr gut. Wir dokumentieren hier alle mit der Tat zusammenhängenden Verletzungen.
Also findet in der Klinik die Spurensicherung statt?
So ist es. Wir ermitteln zum Beispiel den genetischen Fingerabdruck des Täters und beschäftigen uns mit der Frage, wie die Vergewaltigung abgelaufen ist.
Gibt es eine psychologische Betreuung für das Opfer?
Wenn die Frau sehr leidet, ziehen wir einen Psychologen hinzu. Aber nach meiner Erfahrung passiert das in dieser akuten Phase eher selten.
Welche Rolle spielt die „Pille danach“, um deren Verweigerung es ja heftigen Wirbel gegeben hat?
Die spielt eine wichtige Rolle, zumal Vergewaltigungen ja eigentlich immer ungeschützten Geschlechtsverkehr bedeuten. Sie müssen sich das so vorstellen: Das weibliche Opfer befindet sich in einer absoluten Ausnahmesituation und das Risiko, von einem Gewalttäter ein Kind zu erwarten, wäre eine Katastrophe. Davor wollen wir die betroffene Frau natürlich bewahren – und das potenzielle Kind auch: Welcher Mensch möchte schon erfahren, dass seine Existenz durch eine Vergewaltigung begründet wurde? Also, wir verschreiben generell die „Pille danach“.
Hat das schon mal jemand abgelehnt?
Nein, und dabei ist die Religionszugehörigkeit bzw. Konfession auch unwichtig. Es handelt sich bei dieser Pille ja nicht um eine Abtreibung, sondern lediglich um die Verhinderung, dass eine Eizelle befruchtet wird.