Velbert/Kreis Mettmann. . Zu Gast bei der WAZ: Interview mit Karl Bröcker über Sorgen und Hoffnungen in der Landwirtschaft und warum sich Bauern gegen die A 44 sperren. Trotz Einsatzes von Technik gibt es noch ein Restidylle
In diesen Tagen einen Landwirt – zumal einen Funktionsträger – als Interview-Partner zu bekommen, ist mal nicht so einfach. Denn die Bauern ernten, bearbeiten Stoppeln, sind mit der Stroh- und Grasernte beschäftigt, fahren Kompost und Gülle aus, säen neu aus. Zudem diktiert das Wetter den Tagesablauf. Aber dann hat Karl Bröcker doch noch Zeit gefunden und reserviert. Der 62-Jährige bewirtschaftet in 15. Generation in Wuppertal-Vohwinkel auf „Gut zur Linden“ einen großen Ackerbaubetrieb mit Schwerpunkt Dinkel. Und er ist Kreislandwirt sowie stv. Vorsitzender der Kreisbauernschaft. WAZ-Redakteur Klaus Kahle sprach mit Karl Bröcker über die Lage in der Landwirtschaft.
Gibt’s eigentlich noch die sprichwörtliche Idylle auf dem Bauernhof?
Karl Bröcker: Wir arbeiten ja immer noch in der Natur. Früher natürlich mit viel mehr Menschen, Tieren und Muskelkraft. Aber eine Restidylle ist noch da. Zum Beispiel dann, wenn Sie auf dem Mähdrescher sitzen und die Sonne untergehen sehen.
Wenn Sie mal an Ihre Kindheit auf dem Hof denken – was hat sich in den letzten 50 Jahren am meisten verändert?
Damals gab’s noch keine Mähdrescher und Melkmaschinen. Aber selbstverständlich hatten wir Ackerflächen und Kühe. Die Technik hat die Landwirtschaft richtig revolutioniert, ohne wäre das wirtschaftlich überhaupt nicht mehr möglich.
Welches ist das größte Problem der Landwirte?
Eindeutig der rapide Flächenverlust. In den letzten 60 Jahren ist hierzulande so viel Kulturfläche verbraucht worden wie Rheinland-Pfalz und Saarland zusammen an Fläche ausmachen. Ohne Boden können wir aber nichts machen.
Und die zweitgrößte Sorge?
Die Unsicherheit, wie die Umwelt sich entwickelt, auch mit den zunehmenden Unwettern und Naturkatastrophen. Obwohl wir ja noch in einer gemäßigten Zone leben. Getoppt wird diese Sorge allerdings von dem ewigen politischen Hin und Her. – Außerdem: Natürlich muss man gesund bleiben. Landwirtschaft ist personenbezogen.
Lohnt es überhaupt noch, einen Hof zu bewirtschaften?
Das hat sich sogar gerade verbessert, weil die Preise für Ackerbauern auskömmlicher geworden sind.
Wie ist es um die nächste Generation bestellt?
Eigentlich recht gut. Etwa die Hälfte der Azubis sind Söhne – und auch Töchter – von Landwirten. Aber wir haben auch Anfragen von außerhalb, mitunter auch Bewerber mit einem Super-Abi.
Warum legen sich Kollegen von Ihnen gegen den Lückenschluss der A 44 quer?
Wir sind nicht gegen Straßenbau und sind auch nicht gegen den Lückenschluss, wohl aber gegen dessen Trassenführung. Das neue Stück A 44 kostet die Landwirte 180 Hektar Kompensationsfläche. Ein sinnvoller Weg wäre zum Beispiel eine Tunnellösung in Ratingen-Homberg. Wir sind für intelligente Lösungen und nicht für solch tollpatschige.
Welche Rolle spielen Landwirte mit Blick auf die Kulturlandschaft im Neanderland?
Wir haben diese Landschaft zusammen mit den Leuten auf dem Land entwickelt. Leider wird davon aber immer mehr abgeknapst. Aber Vorsicht! Am Ende ist das tödlich für die Gesellschaft.
Ist die Zukunft für Bauern Bio, oder gibt es andere wirtschaftlich verheißungsvolle Nischen?
Für einige ist Bio eine echte Option, wenn die Voraussetzungen stimmen. Aber wir nutzen zunehmend auch Alternativen wie Pferdehaltung, Direktvermarktung oder Gemüse- und Sonderkulturen. Die Zukunft liegt wohl in der Mischung solcher Nischen sowie klassischer und Bio-Landwirtschaft.
Wie bewerten Sie die Diskussion um E-10-Benzin „Tank oder Teller“?
Das kann ich nicht nachvollziehen. Früher hat man uns vorgeworfen, wir produzierten Überschuss. Jetzt haben wir die Möglichkeit, für den Markt zu produzieren, und das soll nun plötzlich auch wieder nicht richtig sein. Und durch E 10 verhungert tatsächlich nirgendwo auf der Welt auch nur ein Mensch mehr.
Was würden Sie am liebsten Autofahrern zurufen, die in diesen Tagen fluchend und hupend hinter Erntefahrzeugen herschleichen müssen?
Freuen Sie doch lieber darüber, dass Sie hier eine wirklich ortsnahe Produktion und Versorgung haben! Die Alternative wäre eine anonyme Produktion irgendwo in Übersee. In Argentinien hätten Sie dann riesige Soja-Trucks vor sich.