Velbert. Wer den steilen Weg zum Wuppertaler Skulpturenpark Waldfrieden auf sich nimmt, wird mit dem Anblick zeitgenössischer Kunst belohnt

Diese Serpentinen waren einmal dazu gedacht, dass der Hausherr der Villa Waldfrieden sie hinauf fährt. Wer heute den Weg zu diesem Stück Herrschaftsarchitektur in Hanglage zu Fuß erklimmt, der bekommt eindrücklich zu spüren, wie viel Macht im Kapitalbesitz steckt. Heute grüßen den Besucher eine „Birne“, ein schwarzes, löchriges Durcheinander namens „Fährmann“ und eine Spirale mit Knochen „Bis zum Knie“. Die Skulpturen sind Verwachsungen menschlicher Formen mit geometrischen und in der Natur abgeschauten Strukturen. Die Kunstwerke, die einen hinauf zum Wuppertaler Skulpturenpark Waldfrieden geleiten, stammen alle von Tony Cragg.

Wer den Aufstieg auf sich genommen hat, wird belohnt. Selbst das Haus des Gärtners, heute ein Café, wirkt herrschaftlich. Dahinter liegt der Park und mitten darin die Villa Waldfrieden, früher das Heim des Lackfabrikanten und Anthroposophen Kurt Herberts. Tony Cragg, Rektor der Kunstakademie Düsseldorf, hat das Barmener Haus mit Park im Jahr 2006 erworben, um es als lebendigen Museumsort zeitgenössischer Bildhauerei zu gestalten. „Nicht nur seiner eigenen Werke“, betont Leon Manoulodakis, Künstler aus Wuppertal, der hier arbeitet. Zwischen Craggs Skulpturen „Points of View“ oder „Here Today, Gone Tomorrow“, in denen der Betrachter häufig Gesichter oder ihm bekannte Formen erkennt, ohne sie beim Umkreisen der Figur festhalten zu können, stehen immer wieder Kunstwerke von Wildhelm Mundt, Norbert Kricke, Thomas Schütte und Richard Deacon -- auch sie Protagonisten der bildhauerischen Moderne.

Die hier aufgestellten Skulpturen hätten konzeptuell gemeinsam, dass sie ihr Material nicht dem Zweck, eine vorgefasste Figur darzustellen, unterwerfen, sondern dass Kunstwerk sich schrittweise aus den Gegebenheiten entwickeln lassen wollten, erklärt Manoulodakis.

Er gibt Führungen durch die Villa, die Besuchern sonst nicht zugänglich ist – derzeit im Rahmen des „Langen Donnerstags“. Jeden Donnerstag bis Ende August hat der Park bis 22 Uhr statt bis 18 Uhr geöffnet. Besucher werden nach Voranmeldung durch die Villa geführt. Dort gibt es keine rein funktionale Architektur zu sehen. Die denkmalgeschützte Villa, auf der Südseite in Altrosa gestrichen, wurde 1947 nach Grundsätzen der organischen Architektur gebaut – aus der Natur des Ortes, ohne Rechtwinkligkeit den Bedürfnissen und Laufwegen der Bewohner folgend, mit konvexen und konkaven Wänden, weicher Beleuchtung ohne Schlagschattenbildung, funktionslosen Zwischen-Räumen zwischen den Raum-Blasen. „Im Grundriss sehen die Räume aus wie Luftballons, in eine Kiste gequetscht“, veranschaulicht Manoulodakis.

Gebietserweiterung an der Südseite

Neu am Skulpturenpark Waldfrieden ist außerdem die Gebietserweiterung, die derzeit an der Südseite entsteht. Sie ist noch nicht fertig, doch die Wege sind schon aufgeschüttet und bald soll dort eine neue Skulptur des deutsch-jugoslawischen Künstlers Bogomir Ecker stehen, die bislang wegen nassen, schlammigen Wetters noch nicht aufgestellt werden konnte. Zu sehen ist im Park darüber hinaus die kürzlich eröffnete Ausstellung von Carl Andre. Andre, Vertreter der „Minimal Art“, sieht das Wesen einer Skulptur entgegen der traditionellen Auffassung nicht in der herausgearbeiteten Form, sondern im Material und dem Ort, an dem sie platziert ist. So zeigen die zwei ausgestellten Werke Holz als Holz und Stahl als Stahl in Interaktion mit dem Ort, an dem sie ausgestellt werden -- der gläsernen Wechselausstellungshalle, die früher einmal Kurt Herberts als Schwimmbad gedient hat. Wer etwas mit zeitgenössischer Kunst oder organischer Architektur anfangen kann, dem sei der Skulpturenpark, der von Velbert-Mitte aus in einer halben Stunde erreichbar ist, ans Herz gelegt. Man kommt im Waldfrieden des Orts schnell ins Sinnieren. Wer sich dorthin aufmacht, sollte jedoch Kondition für das Erklimmen der Hanglage mitbringen.