Velbert. . 18 Minuten hat es bei einem Notfall im April in Langenberg gedauert, bis der Notarzt vor Ort war. Warum das passieren kann, erklärt Notärztin Dr. Astrid Gesang, Geschäftsführerin des Klinikums Niederberg.

18 lange Minuten Wartezeit auf den Rettungswagen – dieser Fall sorgte im April in Langenberg für Aufsehen. Weil in Velbert vier Einsätze gleichzeitig liefen, mussten die Retter aus Heiligenhaus kommen. „Völlig inakzeptabel“, fand ein WAZ-Leser. Doch welche Mechanismen laufen eigentlich ab, wenn man die 112 wählt? Darüber sprachen wir mit Dr. Astrid Gesang, Notärztin und Geschäftsführerin im Klinikum Niederberg.

„Der Anruf läuft immer bei der Leitstelle der Feuerwehr auf, in der ausgebildete Rettungsassistenten sitzen“, erklärt die Ärztin. „Aufgrund der Angaben des Anrufers und der Rückfragen muss der Rettungsassistent einschätzen: Welches Rettungsmittel schicke ich dorthin?“ Wenn zum Beispiel eine Person ansprechbar sei, aber nicht aufstehen könne, werde in der Regel der Rettungswagen (RTW) und nicht ein Krankentransportwagen (KTW) losgeschickt. „Ein Rettungswagen hat alle Geräte an Bord, um Schwerverletzte oder äußerst kritisch Kranke notfallmäßig ins Krankenhaus zu befördern“, erklärt Dr. Gesang. An Bord seien entsprechend ausgebildete Rettungsdienst-Mitarbeiter.

„Ist ein Patient lebensbedrohlich verletzt, beispielsweise nach einem Sturz vom Dach, oder ist er nach Herzbeschwerden zusammengeklappt, dann wird nicht nur der RTW, sondern auch das Notarzt-Einsatzfahrzeug angefordert.“ Der Notarzt in Velbert fahre im so genannten Rendez-vous-System. Dr. Gesang: „Das heißt, Notarzt und RTW treffen sich am Einsatzort.“

„Es gibt zigtausend Einsätze, die pünktlich sind, aber die fallen nicht auf“

Für die Rettungswagen, so die Notärztin, würden in Nordrhein-Westfalen Hilfsfristen gelten: „Im städtischen Bereich betragen sie acht Minuten, im ländlichen Bereich zwölf.“ Dr. Gesang betont aber: „Das Ziel ist dabei, dass neunzig Prozent aller Einsätze in diesen Zeiträumen erfolgen.“ Es gebe aber nun mal Situationen, in denen der Rettungsassistent sage: „Ich brauche den RTW“ – aber alle drei seien schon im Einsatz. „Dann wird von der Leitstelle der nächste freie RTW geschickt – im Langenberger Fall war das einer aus Heiligenhaus. Je mehr solcher Ereignisse zeitgleich auftreten, umso länger ist die Hilfsfrist.“ Der Rettungsdienstbedarfsplan aber, der die Zahl der RTW und Notärzte festlege, liege beim Kreis. „Der spricht sich mit Feuerwehr, Städten und Krankenkassen – die das Ganze ja zahlen – ab“, weiß die Notärztin.

„Es gibt zigtausend Einsätze, die pünktlich sind, aber die fallen nicht auf“, betont Dr. Gesang. „Wir sind hier im Kreis eigentlich gut in der Acht-Minuten-Frist.“ Komme es zu Verzögerungen, liege das nicht an den Rettern selbst: „Kein Mensch trinkt noch seinen letzten Schluck Kaffee, wenn der Pieper geht. Aber wenn Sie dummerweise der Notarzt sind, der aus Mettmann kommt, weil in Ratingen und Heiligenhaus schon alle im Einsatz sind, bekommen Sie auch den Ärger ab.“ Die Ärztin versteht aber auch, dass Angehörigen die Wartezeit immer sehr lang erscheine. „Nur: Wenn man den Aufwand erhöht, wird das System nur teurer, ohne effektiver zu werden.“

Deutschland, betont die Notärztin, habe ein sehr aufwändiges und teures Rettungssystem. „Der gravierende Unterschied zu vielen anderen – auch europäischen – Ländern: Der Arzt kommt zum Patienten. Und das kann in manchen Fällen lebensrettend sein.“ Schwerstverletzte würden vom deutschen Rettungssystem am meisten profitieren: „Weil man sofort mit der Intensivbehandlung anfangen kann. Dadurch sind die Folgeschäden geringer.“ In Deutschland, sagt Dr. Gesang, werde auf sehr hohem Niveau geklagt. Wer einmal im Ausland einen Unfall gehabt und auf Hilfe gewartet habe, wisse: „Wäre dieser Unfall in Langenberg zum Beispiel in Italien passiert, hätte man Hurra geschrien, wie schnell Hilfe vor Ort war.“