Velbert. . Velberter Unternehmen teilen die Euphorie des Modellprojekts zu anonymisierten Bewerbungen eher nicht.

Eine positive Bilanz des Pilotprojekts für anonymisierte Bewerbungsverfahren wurde gestern bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gezogen. Personen, die bei herkömmlichen Bewerbungen bislang nicht die gleichen Chancen hätten – Migranten gehören dazu und Frauen – bekämen sie in einem Bewerbungsverfahren, das auf Angaben zu Geschlecht, Herkunft oder Familienstand verzichtet, so die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Christine Lüders. Die WAZ hatte bereits zu Beginn des Pilotprojekts 2010 bei einigen Velberter Firmen nachgefragt, wie dort diese neue Form der Bewerbung eingeschätzt wurde – und überwiegend Skepsis erfahren. Allein bei der Stadtverwaltung hielt man offen, ob im Erfolgsfall das anonymisierte Verfahren in Erwägung ziehe.

„Wir werden die Bilanz des Pilotprojekts erst einmal selbst auswerten. Dann müssen wir schauen, für welche Stellen das anonyme Bewerbungsverfahren überhaupt anwendbar ist und dann einen Entscheidungsvorschlag dem Vorstand unterbreiten“, kommentiert der Stadtsprecher Hans-Joachim Blißenbach auf Anfrage der WAZ. „Das kann noch einige Monate dauern.“

Auch im Klinikum Niederberg entfachen die Ergebnisse des Pilotprojektes keine Begeisterungsstürme. „Anonymisierte Bewerbungsverfahren spielen in unserem Hause bislang keine Rolle“, sagt Anke Rohn-Maas von der Geschäftsbereichsleitung Personal. Die Entwicklung bei den Bewerbungsunterlagen gehe aber ohnehin zur fotofreien Mappe, „da haben sich die Regularien in den letzten Jahren erheblich verschoben“, so Rohn-Maas. Bewerber mit ausländischen Wurzeln sind sowohl im pflegerischen wie medizinischen Bereich nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel und erwünscht – „besonders aus den Niederlanden und Österreich haben wir Interessierte“, so Rohn-Maas.

Dass anonymisierte Bewerbungsverfahren keine Rolle spielen, bestätigt auch Ralf Winold, Personal-Direktor der Sparkasse Hilden-Ratingen-Velbert. „Wir laden eh möglichst viele ein und setzen auf ein persönliches Gespräch. Die Bewerbung ist für uns eine Visitenkarte“, so Wienold. Inzwischen setzt die Sparkasse HRV auf standardisierte Bewerbungen, die online ablaufen. Dies beschleunige die Abwicklung, erleichtere die Einladungsverfahren – bis hin zur Belegung der Räume für die Einstellungstests. „Wir haben schon überlegt, ob eine Anonymisierung Sinn macht. Aber wir sind froh, wenn überhaupt jemand kommt. Wir laden jeden ein, bei dem die Eignung stimmt“, erklärt der Personaler. „Diese ,Rudimentierung’ der Bewerbung, also keine persönlichen Daten, halte ich nicht für gut. Da zählen nur noch Noten und Zeugnisse“, resümiert Wienold.

In der Praxis sind anonyme Bewerbungen auch bei der Agentur für Arbeit noch nicht angekommen. „Es gibt keine Anfragen von Arbeitgebern“, so Claudia John, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit Wuppertal. Fraglich sei, wie ein solches Bewerbungsverfahren praktisch laufen sollte. Wer seine Bewerbung postalisch abschickt, schreibt zumindest auf den Kuvert seinen Absender – und gibt somit die Identität preis. „Unser Arbeitgeberservice übernimmt gerne für Unternehmen die Anonymisierung der Bewerbungen. Wenn ein Unternehmen das mal ausprobieren möchte, kann es sich gerne bei uns melden. Wir filtern dann entsprechende Angaben heraus“, bietet die Agentur für Arbeit Wuppertal an. Bei Bewerbungstrainings für Arbeitsuchende spielen anonyme Bewerbungen zurzeit noch keine Rolle. „Da müssen erst die Arbeitgeber Interesse zeigen“, so Claudia John.