Seit 15 Jahren sitzt die 69-jährige Erika Schweyer im Rollstuhl. Sie könne sich mittlerweile allein kaum noch helfen, klagt die WAZ-Leserin.
Erika Schweyer (69) verlor als 19-Jährige bei einem Unfall mit einem Motorroller ein Bein. Anfangs ging sie auf Gehhilfen durchs Leben, seit nunmehr 15 Jahren sitzt die Velberterin im Rollstuhl. „Aber jetzt ist die Luft raus“, klagt die WAZ-Leserin, „alleine kann ich mir kaum noch helfen.“ Drei ihrer Töchter, die hier wohnen, unterstützen sie ab und an, aber sie haben selbst Familie und Kinder.
„Ich habe nur die Sozialhilfe und die Grundsicherung“, erzählt die Frau. Als pflegebedürftig gilt sie nicht, ihr Antrag auf Pflegestufe 1 wurde abgelehnt. „Ein Arzt war da, um sich ein Bild zu machen. Ich musste auf Krücken laufen. Schließlich sagte er: Sie sehen so aktiv aus - da gibt es keine Pflegestufe“, schildert sie.
Erika Schweyer ist verzweifelt. Eine Prothese kann sie aufgrund eines Behandlungsfehlers nicht tragen. „Ich habe es mal versucht, aber das verursacht zu große Schmerzen“, erzählt sie. Warum wird einer Rollstuhlfahrerin die Pflegestufe verweigert, wollte die WAZ-Redaktion wissen.
„Pflegestufen sind gesetzlich definiert“, erläutert Dr. Barbara Marnach vom zuständigen Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein. „Entscheidend ist, wie viel Mehraufwand bei der täglichen Körperpflege, beim Toilettengang und zur Nahrungsaufnahme nötig sind.“ Die betroffene Dame leide zwar unter Einschränkungen, auch durch andere chronische Erkrankungen, aber insgesamt reichten die Erschwernisse nicht aus für die Feststellung einer Pflegestufe.
„Allerdings heißt es in dem inzwischen länger zurückliegenden Gutachten auch, dass ein Mehrbedarf tendenziell nötig werden könnte“, betont Dr. Barbara Marnach. Mit anderen Worten: Die Rollstuhlfahrerin solle nochmals das Gespräch mit dem Medizinischen Dienst suchen, wenn sich die Situation verschlechtert habe und eine erneute Überprüfung durchführen lassen. „Eine Mitarbeiterin der Krankenkasse riet mir auch dazu“, berichtet Erika Schweyer. Kürzlich bewilligte das Sozialamt ihr erstmals eine Putzhilfe, die zweieinhalb Stunden pro Woche ihre Fenster und die Wohnung putzt. Diese Hilfe ist schon mal ein kleiner Anfang.
„Ich lasse mich nicht unterkriegen“, betont Erika Schweyer. Es stört sie, auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, aber alleine komme sie nicht mehr zurecht. „Meine Töchter tun, was sie können, aber sie können mir nicht andauernd helfen“, weiß sie.
Wahrscheinlich unterschätzen viele einfach die Einschränkungen, die ihr den Alltag so schwer machen. „Ich bin eigentlich ein sehr positiver Mensch und meist gut gelaunt. Ich lache gern“, erzählt sie. Vielleicht kam das Gutachten des Medizinischen Dienstes auch deshalb zu dem Schluss, dass sie keine Pflegestufe benötige, vermutet Erika Schweyer im Nachhinein.
„Dass jemand im Rollstuhl sitzt, sagt für sich allein genommen wenig über die Pflegebedürftigkeit der betreffenden Person aus“, erläutert Dr. Barbara Marnach.
Erneute Überprüfung
Hier wird einzig und allein geprüft, ob sich die Person alleine waschen kann, ob sie alleine zur Toilette kann und ob sie alleine das Essen einnehmen kann. Wenn eine gewisse Zeit vergangen sei und sich der Zustand verschlechtert habe, sei es auf jeden Fall sinnvoll, den Antrag erneut zu stellen. Der Medizinische Dienst überprüfe dann solche Fälle, betont Dr. Barbara Marnach.