Velbert. . Die Nachricht schreckt auf: Jedes dritte Kind im Vorschulalter leidet an Sprachstörungen, heißt es im neuen Arztreport der Barmer-GEK. Die Sprachheilbeauftrate des Kreises Mettmann, Barbara Städtler, nennt Ursachen.
Die Nachricht schreckt auf: Jedes dritte Kind im Vorschulalter leidet an Sprachstörungen, heißt es im neuen Arztreport der Barmer-GEK. Mit Barbara Städtler, Sprachheilbeauftragte des Kreises Mettmann, sprach Redakteurin Annette Wenzig über die Ursachen.
Immer mehr Kinder leiden an Sprachstörungen – machen Sie diese Erfahrung auch hier im Kreis?
Städtler: Tatsächlich zeigen immer mehr Kinder Sprachauffälligkeiten. Rund zwanzig Prozent hieß es kürzlich, das kommt schon hin. Wir haben häufig Kinder unter drei Jahren, die kaum einen Wortschatz haben und sich nicht äußern können. Sie können gerade mal die Worte „Mama“ und „Papa“.
Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück?
Ich glaube, dass die Eltern heute als Vorbild ausfallen. Das Miteinander-Reden fällt immer mehr weg. Genauso ist es mit dem so genannten „motheries“: Auf dem Wickeltisch schäkern, Spaß haben, singen, das Kind annehmen – das wird nicht mehr so oft gemacht. Auch der Blickkontakt zum Kind fehlt immer häufiger. Schon kleine Kinder sitzen im Kinderwagen mit dem Rücken zur Mutter.
Warum ist der Blickkontakt so wichtig?
Der Augenkontakt ist wichtig, damit das Kind überhaupt weiß, dass es gemeint ist. Aber heutzutage fehlt diese enge Bindung häufig – genauso wie es kaum noch gemeinsame Mahlzeiten gibt, häufig der Fernseher läuft oder ein Kind allein zum Spielen in sein Zimmer geschickt wird. Früher haben die Großeltern als Vorbild mehr geholfen und Tipps gegeben, doch auch das fällt heute oft weg. Ich bin oft ganz verzweifelt darüber, dass man so viele selbstverständliche Sachen erklären muss.
Ist das in allen Familien so?
In vielen Familien — zumindest bei den Kindern, die wir hier kriegen. Mit zwei Jahren sollte ein Kind 50 Wörter können, darauf baut es auf. Aber dafür braucht man Vorbilder. Wenn die fehlen – egal in welcher Schicht – kann das Kind wie ein Eichhörnchen die Wörter nicht sammeln.
Sind fehlende Vorbilder die einzige Ursache?
Nein, es kommen immer mehrere Faktoren zusammen. Eine vernünftig gute Aussprache hängt auch von der körperlichen Entwicklung des Kindes ab. Hören, Muskeltonus, Aufnahme und Vorbilder – das alles gehört dazu.
Was kann man tun?
Die Eltern immer wieder aufklären und erklären, wie wichtig Vorbilder sind. Die frühe Beratung im Kindergarten und in Spielgruppen ist unendlich wichtig. Wir bieten hier im Kreis auch das Heidelberger Elterntraining an: Wie gehe ich sprachlich mit meinem Kind um.
Gibt es auch überbesorgte Eltern?
Ja. Aber wenn ein Kind mit drei Jahren lispelt, muss es nicht zum Logopäden. Die S-Laute gehören zu den schwierigsten, das entwickelt sich noch im Laufe der Jahre.