Velbert. . Gerda Bürgers ist 100 Jahre alt und erinnert sich noch an viele Details aus der Kaiserzeit.
An Kaisers Geburtstag sind sie auf den Schulhof getreten und haben ein Gedicht aufgesagt: „Der Kaiser ist ein lieber Mann/er wohnt in Berlin/und wär das nicht so weit von hier/dann führen wir heut noch hin.“ Gerda Bürgers ist zu Kaisers Zeiten geboren, genau 1911. Sie erinnert sich an viele Details dieser Epoche. So hatten die Kinder am 27. Januar, dem Geburtstag von Wilhelm II, kaum Unterricht. Sie gingen zwar dorthin, der Unterricht sei aber nicht der Rede Wert gewesen. Für diesen besonderen Anlass haben die großen Schülerinnen Schärpen ausgeliehen bekommen und die Jungs Schleifen an den Hemdkragen.
Als der letzte deutsche Kaiser allerdings abgedankt hatte, kam die Schmäh kurz darauf. Die 100-Jährige singt ein abgeändertes Weihnachtslied: „Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, der Wilhelm hat in den Sack gehaun’. Er kauft sich jetzt ‘nen Henkelmann und fängt bei Krupp in Essen an.“
„Die Besatzer waren ekelig“, sagt sie, betont aber auch, dass der Hass ihnen eingeprägt worden sei. Zwei Reime, die damals aufgesagt wurden, verdeutlichen die Welle der Entrüstung: „Warum ist es am Rhein nicht mehr so schön? Weil die Belgier, die Apen (Affen) am Rhein steh’n und schlafen.“ Und da noch ein zweiter großer Fluss in der Nähe fließt: „Warum ist es an der Ruhr nicht mehr so schön? Weil der Franzmann, der Drecksack, die Ruhr noch besetzt hat.“
Ihre persönliche Erinnerung an ihre Kindheit bezeichnet Bürgers als sehr schön. Ganz genau beschreibt sie die Farben der Borden ihrer schwarzen Samtkappen, die sie in der Schule getragen haben. „Sexta, Quinta, Quarta, Untertertia, Obertertia, Untersekunda, Obersekunda, Unterprima, Oberprima.“ Gerda Bürgers kennt sie alle, ist sie durchlaufen auf dem Mädchen-Lyzeum auf der Florianstraße, dem heutigen Nikolaus-Ehlen-Gymnasium an der Friedrich-Ebert-Straße.
Und in jedem Jahr gab es eine neue Farbkombination. „In der Sexta war die Borde dunkelblau/weiß, dann hellblau/weiß/hellblau, gefolgt von grün/weiß/grün, weiß/rot. Die Abiturienten trugen weiß/rot/weiß.“
Bei der Frau des Schuldirektors nahm die junge Gerda Klavierunterricht. Eines Tages jammerte die Dame, sie hätte kaum schlafen können, weil auf einmal viele Katzen gejault hätten. Im selben Schulgebäude war auch das Gymnasium. Die Mädchen tauschten sich mit den Jungs auf dem Schulhof aus. Die erzählten, so berichtet Bürgers heute, alle Fensterbänke des Direktors mit Baldrian für die Katzen eingerieben gehabt zu haben.
Schuldirektor geärgert
„Nach dem Krieg bildeten sich Vereine“, weiß die 100-Jährige zu berichten. Beispielsweise der Landwehr- und Kriegerverein. „Alle, die im Krieg waren, haben ihre Erfahrungen geteilt“, drückt Gerda Bürgers den Sinn der Vereine aus. Heute käme niemand mehr auf diesen Namen, und das Ziel der Verbünde würde vielleicht den Begriff „Trauma“ beinhalten.